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Ursachenforschung, um den Betroffenen Hilfeanbieten zu können. | Transsexualität bleibt rätselhaft. | Homburg. Warum sich manche Menschen nicht ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen und stattdessen permanent unter dem Gefühl leiden, im "falschen Körper" leben zu müssen, ist bislang immer noch ein Phänomen, dessen genaue Ursachen ungeklärt sind.
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Experten wie Prof. Wolfgang Senf von der Universitätsklinik für Psychotherapie und Psychosomatik in Essen gehen deshalb von einem dynamischen biopsychosozialen Prozess aus. Für die Komponente "Bio" machen Forscher des Max Planck-Institutes für Psychiatrie in München hormonelle Störungen während der Embryonalentwicklung verantwortlich.
Sich für oder gegen den Körper entscheiden
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie macht sich deshalb aufgrund der Untersuchungsergebnisse von Prof. Günter Karl Stalla für weitere Forschungen auf diesem Gebiet stark. Denn neue Erkenntnisse könnten den Betroffenen helfen, sich für oder gegen ein Leben im anderen Geschlecht zu entscheiden.
Etwa einer von 12.000 Männern wünscht sich, eine Frau zu sein - obwohl sein biologisches Geschlecht männlich ist. Bei Frauen ist die Transsexualität seltener, etwa eine von 30.000 biologischen Frauen wäre gerne ein Mann.
Sich mit dem eigenen biologischen Geschlecht nicht identifizieren zu können, belastet die Betroffenen sehr: "Der Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, ist meist sehr stark ausgeprägt, häufig kompromisslos", erläutert Stalla.
Viele Betroffene würden berichten, dass sie schon als Kind das Gefühl hatten, im falschen Geschlecht zu leben. Mitunter versuchten sie, ihr biologisches Geschlecht nach außen zu verbergen: "Schlimmstenfalls kommt es zu Selbstverstümmelungen, Depressionen oder Suizidversuchen", so Stalla.
Für die Wissenschaft ist Transsexualität vor allem deshalb rätselhaft, weil sich Transsexuelle genetisch, hormonell und anatomisch eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen - allerdings nicht dem, mit dem sie leben wollen.
Der Ursachenforschung kommt insofern eine große Bedeutung zu, da das gängige Standardbehandlungsverfahren durchaus kompliziert ist, hohe Anforderungen an die Betroffenen stellt und nicht selten auch misslingt.
Die Münchner Forscher stützten sich auf die Hypothese, dass hormonelle Störungen während der Schwangerschaft eine wichtige Ursache für Transsexualität sein könnten. Die vorgeburtlichen Hormonverhältnisse sind immer ein Mix aus der Situation der Mutter und des Ungeborenen, die unter anderem durch Stress beeinflusst werden können.
Schon lange ist bekannt, dass sich das Verhältnis von weiblichen und männlichen Hormonen an den Fingern ablesen lässt. Bei höheren Testosteronwerten wird nämlich der Ringfinger gegenüber dem Zeigefinger länger, bei höheren Östrogenwerten ist es umgekehrt.
Im Durchschnitt haben deshalb Männer längere Ringfinger als Frauen. Stalla und sein Team bestimmten bei mehr als 100 Mann-zu-Frau-Transsexuellen das Verhältnis der Länge von Zeigezu Ringfinger (im Fachjargon: 2D:4D). Je höher der Wert, umso weniger männliche Hormone waren vor der Geburt wirksam.
Das Verhältnis der
Fingerlänge wichtig
"Das Ergebnis liefert für Mann-zu-Frau-Transsexuelle eine biologische Erklärung für die Entstehung der Transsexualität", fasst Stalla zusammen. Bei den Untersuchten fanden die Forscher einen höheren Verhältniswert als bei Männern, die sich auch als solche fühlen. Ihre Fingerlänge entsprach in etwa der von heterosexuellen Frauen. Dementsprechend waren die Mann-zu-Frau-Transsexuellen im Mutterleib geringeren Mengen Androgen ausgesetzt als der Durchschnitt.
Prof. Stallas Fazit: "Wir müssen weiter an den Ursachen forschen, um besser auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen zu können und besser in der Lage zu sein, sie therapeutisch zu unterstützen." Zwar gibt es bereits einige hormonelle Therapien zur Geschlechtsangleichung, allerdings sind viele dieser Hilfen durchaus verbesserungswürdig.