Gewerkschaft und SPÖ sind auf Bundesebene durch den Kampf gegen die Regierung geeint. Heikle Punkte gab es dennoch.
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"Da passt kein Blatt dazwischen." Die Beschreibung aus der Bundes-SPÖ über das Verhältnis zwischen der Parteivorsitzenden Pamela Rendi- Wagner und den roten Gewerkschaftern wird parteiintern, im Klub und im ÖGB grundsätzlich geteilt. Manche sehen die vom bisweilen polternden Parlamentarier Rainer Wimmer geführte sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion (FSG) sogar als Hausmacht Rendi-Wagners.
Oft wurde in der Vergangenheit das Bild der roten siamesischen Zwillinge bemüht. In Oberösterreich sind sich diese gerade in die Haare geraten. In seltener Offenheit bis hin zu Brutalität kam dort aus Gewerkschaftskreisen die Forderung nach dem sofortigen Rücktritt von SPÖ-Landesparteichefin Birgit Gerstorfer. Den Deckel auf dem roten Druckkochtopf hat zwar nach der ernüchternden Landtagswahl im September 2021 eine SPÖ-Kampagne fürs Impfen samt traurigem Kind auf einem Plakat wegfliegen lassen. Damit reichte es nicht nur der Linzer SPÖ mit Bürgermeister Klaus Luger endgültig.
Dampfablassen und enge Verflechtung bis an die Basis
Das Verjagen der SPÖ-Landeschefin war auch ein Dampfablassen von Gewerkschaftern. Eine Mitte Jänner vorgelegte Analyse der Landespartei hatte auch eine Schmälerung des Einflusses der Gewerkschaft auf die SPÖ angeregt. Nicht umsonst beschwor nun der neue SPÖ-Chef Michael Lindner sofort den Zusammenhalt, weil man sich "gegenseitig braucht". Dabei kam die überfallsartige Ablöse Gerstorfers sogar für Wimmer, der selbst aus Oberösterreich kommt, überraschend, wie zu erfahren war.
Für den früheren SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Eigentümer der PR- und Beratungsagentur "Unique Relations", Josef Kalina, ist das Bild der siamemischen Zwillinge passend. "Du kannst das gar nicht trennen", analysiert er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Denn SPÖ und rote Gewerkschaftsfraktion seien "bis an die Basis eng verflochten", so seien Gewerkschafter bis in die SPÖ-Ortsorganisationen als Funktionäre aktiv. Umgekehrt komme für Bundespartei und Parlamentsklub sehr viel Wissen aus der Gewerkschaft und der SPÖ-dominierten Arbeiterkammer.
Außerdem eint ein gemeinsamer Gegner, die türkis-grüne Bundesregierung, gerade jetzt die Sozialdemokraten auf der Oppositionsbank mit roten Arbeitnehmervertretern. Das gilt speziell für den Sozialkomplex mit Pensionen, Pflege und Arbeitszeit, aber auch für die Steuerpolitik.
So unterschiedlich der hemdsärmelige FSG-Chef Wimmer und die Akademikerin und Ex-Gesundheitsspitzenbeamte Rendi-Wagner als SPÖ-Vorsitzende in ihrem Auftreten sein mögen, "die Zwei können gut miteinander", heißt es intern. Die SPÖ-Chefin ist zudem praktisch täglich mit Wimmer, Wolfgang Katzian, der als Präsident freilich auch die vom ÖGB betonte Überparteilichkeit beachten muss, und Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl im Kontakt.
Das heißt nicht, dass es keine Reibungspunkte zwischen den roten Zwillingen gäbe. Das wurde beim Beschluss der Impfpflicht, die von der SPÖ-Spitze mitgetragen wird, im Nationalrat offenkundig. SPÖ-Sozialsprecher Josef "Beppo" Muchitsch stimmte offen dagegen. Es war nicht zufällig der Chef der Bau-Holz-Gewerkschaft. Gerade bei Arbeitern gibt es viele Impfskeptiker und überdurchschnittlich viele ausländische Arbeitnehmer. Anders als bei der von Barbara Teiber geführten Angestelltengewerkschaft (GPA).
Vermintes Terrain, das wissen beide Seiten, wird beschritten, wenn die SPÖ dem ÖGB in das mit Argusaugen verteidigte Sozialpartner-Gehege kommt. Das wäre mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn der Fall. Lohnpolitik und Kollektivverträge sind Kernbestandteil der ÖGB-Tätigkeit. Heikel ist auch die Debatte um 2G- oder 3G-Regel am Arbeitsplatz in Corona-Zeiten.
Miniunternehmen, Jugend: SPÖ braucht "Verbreiterung"
Gleichzeitig ist den führenden Köpfen im ÖGB von Präsident Katzian abwärts bewusst, dass die SPÖ für einen politischen Erfolg bei Wahlen, konkret die Rückkehr in das Bundeskanzleramt, "breiter aufgestellt" sein muss als die Gewerkschaft. Darauf verweist auch Kalina. Das reicht von der zunehmenden Zahl an neuen Selbständigen und Mini-Unternehmen über die Jugend bis zu Bewegungen wie jener für den Klimaschutz. Denn treue (rote) Stammwähler werden weniger.
Der bisher letzte von der SPÖ gestellte Bundeskanzler, Christian Kern, ist mit seinem im Jänner 2017 in Wels präsentierten "Plan A" - etwa mit einem gesetzlichen Mindestlohn - in ein Wespennest getreten. Prompt winkte der ÖGB ab. Als Kern wenige Wochen später vor der Entscheidung stand, einen nachjustierten Koalitionspakt mit Reinhold Mitterlehner in der ÖVP zu besiegeln oder noch vor der Übernahme der ÖVP durch Sebastian Kurz in vorzeitige Neuwahlen zu gehen, ließ er sich maßgeblich von der Gewerkschaft von Neuwahlen abhalten.
Oft sind es Gepflogenheiten im Umgang miteinander, die für dicke Luft sorgen. Bei Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der 2006 nach dem Skandal um die Ex-Gewerkschaftsbank Bawag Distanz zeigen wollte, spielte das maßgeblich mit. Dass er die Verbannung von Spitzengewerkschaftern aus dem Parlament dekretierte, statt den Gewerkschaftern die Verkündung zu überlassen, schmeckte den roten ÖGB-Männern nicht.