Die Wiener Hoteliers schielen nach München. In beiden Städten boomt der Tourismus, doch München liegt in Sachen Bettenauslastung und Gewinn weit vorn. Der Wiener Tourismusdirektor Norbert Kettner sieht die Schuld bei Hotel-Betreibern.
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Wien. Lederhosen, Bratwürstl und ganz viel Bier - so weit, so klischeebeladen. Vor allem für viele nicht-europäische Gäste besteht zwischen Wien und München kaum ein Unterschied. Und die beiden Metropolen haben durchaus einiges gemeinsam. Wien gilt laut Mercer-Studie als lebenswerteste Stadt der Welt, die bayerische Hauptstadt schafft es auf Platz 4 und ist damit die beliebteste Stadt Deutschlands. Beide Städte sind wichtige Standorte für Wirtschaft und Wissenschaft und auch größenmäßig ähneln sie sich: Wien hat 1.765.649 Einwohner, in München leben 1.472.374 Menschen.
Sechs Millionen Nächtigungen pro Halbjahr
Für Touristen aus aller Welt sind beide Städte anhaltend attraktiv, die Besucherzahlen steigen seit Jahren kontinuierlich. Pro Halbjahr schaffen es beide auf über sechs Millionen Nächtigungen. Nach München kommen die meisten Gäste aus den USA, den arabischen Staaten und Russland. Wien beherbergt vor allem Deutsche, US-Amerikaner und Russen.
In beiden Städten bracht das Geschäft mit den russischen Kunden unlängst ein. In München gingen die Übernachtungen russischer Gäste um fast acht Prozent zurück, schuld sind der massive Verfall des Rubels und die Ukraine-Krise. München setzt deshalb vermehrt auf Schweizer Kunden, Wien auf deutsche Gäste.
Trotz des russischen Rückgangs floriert der Tourismus in beiden Städten. Für München wird bis 2018 ein Tourismus-Wachstum von 5,3 Prozent prognostiziert, in Wien soll es sogar ein Plus von 9,3 Prozent geben. Das Wiener Bettenangebot wächst stetig - zuletzt eröffnete im DC-Tower ein 300-Zimmer-Hotel der spanischen Luxuskette Sol Melia. Doch die Bettenauslastung in der österreichischen Hauptstadt lässt zu wünschen übrig und die Hoteliers klagen über vergleichsweise niedrige Gewinne.
Bei der Auslastung ist München mit 57,7 Prozent um einiges besser im Rennen als Wien mit 54,3 Prozent. Und von Münchner Gewinnen können Wiener Hoteliers nur träumen: 2013 erzielte München pro Zimmer einen Logiserlös von 96,11 Euro, die Wiener mussten sich mit einem Durchschnitt von nur 67,15 Euro zufrieden geben. Damit liegt Wien sogar unter dem gesamteuropäischen Mittelwert von 68,71 Euro.
Woran liegt das? Die Wiener Hotellerie hat die Gründe längst ausgemacht, präsentiert werden sie in einer Studie der Tourismus-Beratungsagentur Prodinger. Schuld sei zum einen die höhere Mehrwertsteuer, in München sind es nur sieben, in Wien dagegen zehn Prozent. Ein Dorn im Auge ist den Wiener Hoteliers zum anderen die Ortstaxe. In Wien beträgt sie 2,8 Prozent des Preises, in München gibt es keine solche Abgabe.
München hatte zwar 2010 die Einführung einer sogenannten Bettensteuer beschlossen, die oberbayerische Regierung hatte jedoch die Genehmigung verweigert und bekam 2012 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof recht. Die geplante Abgabe von 2,50 Euro pro Übernachtung sei rechtswidrig, so das Gericht. Erfreut zeigte sich auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann: "Ich bin überzeugt davon, dass die volkswirtschaftlichen Nachteile einer Übernachtungssteuer die Steuermehreinnahmen für die Gemeinden bei weitem übertreffen".
"Die Preisgestaltung liegt bei den Betreibern selbst"
Es ist also nicht verwunderlich, dass auch Wiener Hotelbetreiber längst die Abschaffung der Taxe fordern. Dass Mehrwertsteuer und Ortstaxe schuld an den Gewinneinbußen seien, hält der Wiener Tourismusdirektor Norbert Kettner für "an den Haaren herbeigezogen." Die Preisgestaltung liege bei den Betreibern selbst. Zwischen Wien und München bestehe ein Preisunterschied von bis zu 130 Prozent. Wien und München seien durchaus vergleichbar, warum Wiener Hoteliers nicht einfach die Preise erhöhen, kann Kettner nicht verstehen. Auch seien die Wiener Hoteliers ohnehin privilegiert, da Wien Tourismus in der ganzen Welt für die Stadt wirbt. "Wir legen den Ball auf, einlochen müssen ihn andere", so Kettner. Ihn ärgert besonders, dass die Unternehmer zwar Deregulierung verlangen, wenn es um die Steuern geht, auf der anderen Seite die Anzahl der Hotels aber von staatlicher Seite her begrenzen lassen wollen. "Da muss man sich halt entscheiden, ein bisschen schwanger geht nicht."
Eins zu eins vergleichen ließen sich die Städte auch nicht, denn München sei eben ein Business-Standort von Weltrang. "In München gibt es mehrere Global Headquarters, wie Siemens oder BMW, die vor allem Geschäftsreisende anziehen. Und die Münchner Messen lassen die Preise auch schnell mal um zwei- bis dreihundert Prozent hochschnellen. Unser Global Player ist dagegen die Kultur."
Den wohl wichtigsten Trumpf scheinen dagegen sowohl die Hotelier-Studie als auch Tourismusdirektor Kettner vergessen zu haben: Über 6 Millionen Besucher zieht jährlich das Münchner Oktoberfest an. Bei so viel Bier und Brauchtümelei können die Touristen schon mal vergessen, ob sie in München oder in Wien nächtigen.