Mehr Buchungen bei TUI, Neckermann und Co. | Preise: Veranstalter steigen auf Bremse. | Konzentration der Branche nimmt zu. | Der Schock war groß: Anfang März meldete die größte Hotelkette der Türkei mit 16 Betrieben und mehr als 20.000 Betten Konkurs an. Das Aus für die Joy-Gruppe und ihren Eigentümer Akin Yilmaz bereitete vor allem dem Chef des Wiener Reiseveranstalters TUI, Klaus Pümpel, keine Freude: Sein Unternehmen könnte etwa 10 Millionen Euro an Vorauszahlungen verlieren.
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Der in finanzielle Probleme geschlitterte Partner, dessen Schulden sich laut Tageszeitung "Hürriyet" auf umgerechnet 67 Millionen Euro belaufen, betrieb für TUI an der türkischen Riviera mehrere Pegasos-Hotels und seit 2009 die erste Anlage der neuen Gulet-Marke Blue Collection.
Die britische TUI Travel plc, Mutter von TUI Österreich, fackelte nicht lange: Sie kappte die wirtschaftlichen Verbindungen zu Joy, gründete TUI Travel Hotel Management Services (TTHMS) und führt größtenteils mit dem vorhandenen Personal die gepachteten Hotels in Eigenregie weiter. Sena Uzgören, früher Inhaber von Delphin Touristik, jetzt Vorstand bei TUI Österreich, gehört dem Management der neuen Gesellschaft an.
Damit ist der britisch-deutsche Reiseriese, der 288 Hotels mit 173.000 Betten in 29 Ländern besitzt, auch in der Türkei größter Hotelier. Schon bisher hatten ihm dort vier Robinson Clubs, sechs Magic Life-Clubs, drei Iberotels sowie zwei Riu Hotels gehört. Pümpel und Uzgören wirkten jedenfalls kräftig an der neuen Lösung mit und konnten letztlich erleichtert aufatmen.
Das Ferien-Reservat für die Österreicher
Die generelle Buchungslage ist nach dem rund 20-prozentigen Minus im Winter laut TUI-Österreich-Sprecher Josef Peterleithner "heuer wieder erfreulich". Zudem scheint die Türkei als Sommer-Urlaubsziel ein Renner zu werden. Da hätte die mögliche Verunsicherung der Kunden einem Rückschlag bedeutet.
Jetzt sei alles paletti, so Pümpel: "Alles läuft plangemäß weiter". Für die Blue-Collection-Anlagen Belek und Kiris hätten sich bereits 14.000 Österreicher entschieden. Bei den Fünf-Sterne-Anlagen Pegasos laufe es um drei Prozent besser als 2009.
Das Blue-Collection-Konzept, das Uzgören als Alternative zu den leicht schwächelnden Magic-Life-Clubs erfunden hat, sei nicht gefährdet: Im vergangenen Sommer startete in Belek der erste, speziell auf österreichische Gäste ausgerichtete Fünf-Stern-Club. Im früheren Sillyum Golf Resort sollten sich die zu 70 Prozent aus Österreich angereisten Urlauber nicht zuletzt dank Apfelstrudel, Käsekrainer, Melange und G’spritztem wie daheim fühlen. Die auf sechs Jahre gemietete rot-weiß-rote Enklave zog gleich in der ersten Saison 13.000 Landsleute an, die dort 120.000 Nächte verbrachten.
Ende April geht in der Nähe von Kemer auf einem 160.000 Quadratmeter großen Areal das zweite Blue- Collection-Feriendorf in Betrieb. In dem bisher vornehmlich von russischer Klientel bevölkerten Luxushotel Kiris World und seinen drei Badebuchten sollen sich künftig ebenfalls österreichische Urlauber tummeln. Ein im Vergleich zu Magic Life attraktiverer Preis soll sie ebenso überzeugen wie Schnitzel rund um die Uhr.
Zwecks Schärfung des Markenprofils von Gulet Touristik sollen plangemäß etwa sechs weitere Clubs folgen - diese sollen in den nächsten vier Jahren nicht nur in der Türkei, sondern auch in Tunesien, Ägypten oder Griechenland eröffnen.
Mit dem bodenständigeren Profil will die Wiener TUI-Holding, zu der auch die Veranstaltermarken Gulet, Delphin, Reiseladen und 1-2-Fly gehören, ihre Position als österreichischer Marktleader absichern (siehe Tabelle). Der einstige Ableger des gleichnamigen deutschen Reisekonzerns ist jetzt im Besitz der britischen TUI Travel plc., die im September 2007 durch die Fusion von First Choice Holidays plc. und der TUI AG entstanden ist. Der börsenotierte Gigant setzt 15,4 Milliarden Euro um, beschäftigt weltweit 50.000 Mitarbeiter und ist in 180 Ländern tätig. Die Wiener Tochter lieferte im letzten Geschäftsjahr trotz 17 Prozent Umsatzminus 8,8 Millionen Euro Profit ab.
Briten und Deutsche beherrschen den Markt
Die zweite Geige im Kampf der Reiseveranstalter um den österreichischen Markt spielt die britische Thomas Cook Group. In der jetzigen Form gibt es Europas zweitgrößte Tourismusgruppe, die sich unter anderem den zweitgrößten deutschen Veranstalter Neckermann einverleibt hat, seit knapp drei Jahren, als sie mit My Travel Group plc. fusionierte. Sie beschäftigt 31.000 Mitarbeiter in 21 Ländern und betreut 22 Millionen Kunden; der Umsatz 2009 belief sich auf 10,2 Milliarden Euro. In Österreich ist sie mit der 100-prozentigen Tochter Thomas Cook Austria AG vertreten.
Erholung dank Tiefpreis und Sonderangeboten
Zwei weitere TUI-Rivalen sind deutscher Provenienz: Die Rewe Touristik, zu der ITS, Jahn Reisen, Tjaereborg, Dertour, Meier’s Weltreisen sowie Adac Reisen gehören, schafft in Österreich 15 Prozent Marktanteil - nicht zuletzt dank ihrer eher urlaubsbudget-freundlichen Preisgestaltung samt Tiefpreisgarantie bei ITS Billa Reisen. In Deutschland ist die Touristiksparte der Lebensmittelkette ebenfalls die Nummer drei in der Reisebranche - und obendrein mit einem konsolidierten Gesamtumsatz von 4,6 Milliarden Euro das zweitgrößte Geschäftsfeld der Rewe Group.
Mit einem ähnlichen, aber kleineren Programmangebot mischt die Münchner FTI Group mit. Nach einem kurzen Intermezzo ab 2000, als sie an die britische Airtours plc. überging, befindet sie sich seit sieben Jahren wieder im Besitz ihres Gründers Dietmar Gunz. Mit 1500 Mitarbeitern erzielt sie einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro, in Österreich belegt sie mit etwas mehr als fünf Prozent Marktanteil Rang vier - deutlich vor der Alltours, die dem Alleingesellschafter Willi Verhuven gehört und letztes Jahr als Deutschlands Nummer vier sechs Prozent Umsatzminus (auf 1,2 Milliarden Euro) verkraften musste.
Alltours versucht den Branchenriesen, die mit einer Vielzahl an Urlaubskatalogen Kunden ins Reisebüro locken, als "größter konzernunabhängiger Veranstalter" (Verhuven) mit aggressiven Preisen Geschäft abspenstig zu machen. Der deutsche Herausforderer offeriert großteils Flugpauschalreisen in 16 Länder - von Ägypten über die Malediven und Thailand bis Tunesien. Und er peilt in Österreich einen zehnprozentigen Zuwachs bei den Gästezahlen an.
So gut wie alle Veranstalter sind glücklich, dass die Buchungen dank niedriger Preise, großzügiger Frühbucherboni und Sonderangebote wieder anziehen. Die teils starken Einbußen im Vorjahr dürften wettgemacht werden.
Die Türkei war schon in der von der Krise geprägten letzten Sommersaison der eindeutige Gewinner. Der bisher abgeblitzte EU-Kandidat, der sich kürzlich auf der Berliner Branchenmesse ITB groß in Szene setzte, will mittelfristig für die Bürger der Europäischen Union zum Ferienparadies Nummer eins werden.
Im Vorjahr haben sich 27 Millionen Touristen - ein Plus von nahezu drei Prozent - im Land zwischen Orient und Okzident entspannt. 2023, wenn die türkische Republik ihren 100. Jahrestag begeht, sollen es nach der kürzlich beschlossenen Tourismus-Strategie 63 Millionen Gäste sein. Bis dahin sollen die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr auf eben so viele Milliarden Euro ansteigen - und sich damit vervierfachen.
Die Türkei will Ferien- Paradies Nr. 1 werden
Für russische Urlauber ist die Türkei, seit sie ihren Marktanteil auf stolze 36 Prozent steigern konnte, bereits die Nummer eins. Doch das genügt ihr nicht. Daher hat sie es auf mehr Briten, Deutsche und Holländer abgesehen, für die sie (nach Spanien) schon die zweitbeliebteste Feriendestination ist - und natürlich auf die Österreicher.
Die großen Veranstalter bringen sich bereits in Stellung, um vom Boom der Türkei zu profitieren: Thomas Cook etwa ist drauf und dran, den größten deutschen Türkei-Spezialisten Öger aufzukaufen. Dessen Gründer Vural Öger hat sich innerhalb von 40 Jahren als Marktleader etabliert und verfrachtet rund eine Million Touristen pro Jahr in seine Heimat.
Rivale TUI hingegen hat sich bereits verstärkt: Der Wiener Türkei-Spezialist Bentour, 2003 von Gürsel Erel gegründet, ist seit November 2008 im Besitz der Magic Life Asset AG. Damit wurde er - was nicht gerne an die große Glocke gehängt wird - ins weltweite TUI-Imperium integriert.
Reisestatistik 2009
Im Vorjahr haben drei von vier Österreichern mindestens eine Urlaubsreise unternommen. Von insgesamt 17,2 Millionen Trips (um 11,5 Prozent mehr als 2008) entfielen 9,3 Millionen auf einen längeren Urlaub (ab vier Nächtigungen) und 7,9 Millionen auf Kurzurlaube.
Mehr als die Hälfte der Reisen wurden im eigenen Land verbracht; 8,2 Millionen Reisen gingen ins Ausland. Wie gewohnt waren Italien (mit 20 Prozent Anteil), Deutschland, Kroatien, Spanien und Griechenland die beliebtesten Ziele rot-weiß-roter Touristen. Auf alle übrigen Länder entfällt nicht ganz die Hälfte des Kuchens - die Türkei ist auf Platz 7.
Lediglich jede dritte Reise wird bei einem Veranstalter bzw. im Reisebüro gebucht, etwa ebenso viele Urlauber entscheiden sich für das Flugzeug (fast 55 Prozent verreisen per Pkw, nicht einmal acht Prozent per Bahn). Im Ausland gaben die Österreicher 2008 7,7 Milliarden Euro aus - rund halb so viel, wie ausländischen Touristen der Aufenthalt in Österreich wert war.