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Urlaubsreisen aus dem Supermarkt

Von Monika Jonasch

Wirtschaft

Wenn Billa, Hofer und Tchibo hierzulande plötzlich alle Reisen anbieten, dann hat sich wieder einmal eine Tatsache bestätigt: Österreich ist anders. Reisebuchungen über Telefon-Hotlines, Kataloge aus dem Supermarkt, das ist ein sehr österreichisches Phänomen. Ob es ein langfristiger Trend wird, muss sich jedoch erst noch herausstellen.


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Seit Juni 1999 ist der Reiseanbieter ITS Billa Reisen im heimischen Tourismusmarkt tätig. Damit ist Billa in diesem Spezialsegment als erster österreichischer Anbieter gestartet. "Als wir damals begonnen haben, hat jeder gesagt: Österreich ist doch kein Land, wo Urlaub via Telefon gebucht wird!" erinnert sich Ricardo Leitner, Marketingchef von ITS Billa Reisen. "Die letzte Nacht bevor es losging konnte ich gar nicht schlafen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, ob tatsächlich jemand anrufen wird. - Als dann zwei Tage später die Telefonleitungen wegen Überlastung zusammengebrochen sind, war ich sehr erleichtert! - Es konnte gar nichts Schöneres passieren!"

1999 vermittelte ITS 35.000 Urlaubsreisen, für 2003 meldet das Unternehmen ein Umsatz- und Gästeplus von über 20% gegenüber dem Jahr 2002. "Unser Konzept ist aufgegangen", freut sich ITS-Geschäftsführer Werner Gielen. "Wir haben im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2003 erstmals die Grenze von 100.000 Gästen überschritten".

Die Preise für die Reise aus dem Supermarkt seien "knallhart kalkuliert" (Gielen), etwa 550 Euro kosten sie im Durchschnitt. Wenn ein ITS-Kunde das gleiche Reiseangebot im Katalog eines anderen Veranstalters billiger findet, bekommt er die Differenz zurück. Um diese "Tiefpreisgarantie" halten zu können, muss jedoch intern strengste Kostendisziplin herrschen. Nur 35 Mitarbeiter sind bei ITS mit den Reisebuchungen, die über kostenpflichtige Hotlines hereinkommen, beschäftigt.

Großes Plus bei der Direktbuchung sei, dass es keine Beratungsgebühren gebe, so Leitner. Er sieht darin durchaus einen langfristigen Trend: "Wir sind als Pilotprojekt in Österreich gestartet und inzwischen hat sich das Angebot durchgesetzt." Obwohl ITS, die touristische Muttergesellschaft, in Deutschland angesiedelt ist und zu LTU-Touristik gehört, blieb das Reiseangebot bisher auf Österreich beschränkt.

Supermarkt-Kunden Reisen anzubieten, hat inzwischen hierzulande Schule gemacht. So bietet Hofer seit kurzem über seine Tochter ERS-Touristik GmbH ebenfalls Reisen an. Darüber reden wollte man jedoch weder bei ERS noch in der Hofer-Zentrale in Sattledt: "Wir bedauern, dass wir aus firmenpolitischen Gründen keine Stellungnahme zu dieser Thematik abgeben können" teilte Frau Margit Heidlmair per Fax auf die Anfrage der "Wiener Zeitung" aus der Hofer-Zentrale mit.

Wer bucht denn schon im Supermarkt Reisen?

"In erster Linie sind es bestimmt Schnäppchenjäger, die sich im Supermarkt zur Buchung inspirieren lassen," meint Peter Zellmann vom Institut für Freizeit- und Touristikforschung, der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. "Es sind aber auch erfahrene Pauschalreisende, die wissen wohin sie wollen und den günstigsten Preis suchen. Familien mit Kindern, insbesondere allein erziehende Eltern, sind preisbewußt und damit ebenfalls so ansprechbar." Altersgruppenmäßig schätzt Zellmann, dass die "Jüngeren zwischen 30 und 35 Jahren sowie die Generation 50+ von ITS & Co. verlockt werden können.

Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt auch Andreas Zenker, Pressesprecher des Österreichischen Verkehrsbüros. - Das Verkehrsbüro betätigt sich als Zulieferer für Hofer und teilweise auch für Tchibo. - "Die Leute werden immer mobiler, mit dem Reisegeld wird bewusst umgegangen und so neben hochpreisigen Urlauben auch ein Billigurlaub gebucht."

Das Potenzial für Direktbucher schätzt Zellmann sehr groß ein: "Etwa die Hälfte bis zwei Drittel aller Urlaubsbucher sind so zu erreichen." Gleichzeitig betont er jedoch, dass auch künftig ein Markt für klassische Reisebüros und das Geschäft mit der Beratung rund um die Reisebuchung vorhanden sein wird. "Personenbezogene Dienstleistung ist in Österreich zwar immer noch erklärungsbedürftig, aber ein Drittel bis die Hälfte der Kunden wollen nicht am Service sparen."

"Preiskracher" mit Qualität

Dass es sich bei den Billigreisen aus dem Supermarkt um minderere Qualität handle, bestreitet Zenker. "Es muss nur einfach ein Preiskracher sein, wenn Hofer es anbietet. Wir haben hier ein bestimmtes Produktprofil bekommen und suchen dazu die Reisen aus."

Im Tourismusgeschäft gebe es keine Tabus mehr bei Vertriebswegen, so Zenker. "Es ist zweitrangig was wir wollen. Wenn die Kunden Spaß daran haben, direkt zu buchen, wird es eben gemacht." Vom wirtschaftlichen Erfolg des Angebots darf man von Seiten des Österreichischen Verkehrsbüros aufgrund der von Hofer verordneten Zurückhaltung nicht sprechen. Zenker meint aber: "Wir sind jedenfalls mehr als zufrieden."

Unzufriedenheit scheint es auch von Kundenseite mit Billa- und Hoferreisen bislang nicht zu geben. So meinte Horst Roth von der Arbeiterkammer Wien auf Anfrage der "Wiener Zeitung": "Bei der telefonischen Beratung sind uns diese Anbieter nicht extra aufgefallen." Karin Littich vom Verein für Konsumenteninformation schließt sich dem an: "Mit Billa & Co. gibt es genau so viele oder wenige Probleme wie mit anderen Anbietern. Das ist ja auch ganz normale Katalogware." Sie rät, wie bei allen Buchungen, auch bei Direktbuchungen dazu, auf möglichst ausführlich ausgefüllte Buchungsscheine zu bestehen. "Was der Mitarbeiter im Call Center verspricht, weiß sonst später nämlich niemand mehr."

Ob sich aus der Direktbuchung ein Tourismustrend entwickeln wird, will man beim Institut für Freizeit- und Touristikforschung noch nicht beurteilen. Der Zeitraum, in dem mehrere Anbieter am Markt sind, sei noch zu kurz, so Zellmann. "Es besteht aber eine 50:50 Chance auf langfristigen Erfolg."