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Diskussion über Urlaubsansprüche beim Übergang von Vollzeit- | auf Teilzeitbeschäftigung.
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In der Praxis sorgt eine in Österreich bisher weitgehend unbeachtete Entscheidung des EuGH (22.4.2010, C-486/08) zusehends für Diskussionen. Darin wird nämlich die in einem Landesgesetz vorgesehene wertneutrale Umrechnung von Urlaub bei einem Wechsel von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung als europarechtswidrig beurteilt.
Dieser Entscheidung liegt ein österreichischer Ausgangsfall zu Grunde. Das Tiroler Landes-VBG regelt, dass ein bestehender Urlaubsanspruch in Stunden verhältnismäßig zu kürzen ist, wenn ein Mitarbeiter in Teilzeit wechselt. Der EuGH erblickte darin eine Diskriminierung von Teilzeitarbeitskräften. Vielmehr sollte auch bei einem Übertritt in Teilzeitbeschäftigung der "alte" Urlaub aus der Vollzeitarbeit in voller Höhe gebühren. Dies soll entweder über eine zeitliche Verlängerung des Alturlaubes oder über eine Anhebung des Urlaubsentgelts während des Alturlaubsverbrauchs erreicht werden. Das Landesgesetz wurde daraufhin geändert.
Nunmehr wird von Interessensvertretungen der Arbeitnehmer behauptet, dass diese Entscheidung auch auf das Urlaubsgesetz und damit auf private Arbeitsverhältnisse anzuwenden wäre. Diese Interpretation ist abzulehnen und weder durch das Urlaubsgesetz noch die bisherige österreichische Rechtsprechung gedeckt.
Das Urlaubsgesetz geht vom sogenannten fiktiven Ausfallsprinzip aus. Demnach erhält ein Mitarbeiter im Urlaub jenes Entgelt, das er bei seinem Arbeitseinsatz erhalten hätte. Da sich bei Teilzeitarbeit auch das Arbeitsentgelt reduziert, ist nicht einzusehen, warum dieses dann im Falle des Konsums von Alturlaub plötzlich wieder erhöht werden sollte. Auch ist kein sachlicher Grund zu erkennen, warum sich der Urlaubsanspruch erhöhen sollte, wenn ein Mitarbeiter seine bisherige Arbeitszeit von 40 Stunden beispielsweise auf 24 Stunden mit drei Arbeitstagen pro Woche zu je acht Stunden reduziert. Die Konsequenz dieser Rechtsansicht wäre nämlich, dass dieser Mitarbeiter bei einem unverbrauchten Alturlaub von beispielsweise zehn Arbeitstagen (zwei Kalenderwochen) ab Übertritt in die Teilzeitbeschäftigung plötzlich einen Anspruch auf drei Wochen und einen Tag Urlaub hätte.
Für diese Urlaubsvermehrung kann es wohl keinen sachlichen Grund geben. Auch kann hier keine Diskriminierung der Teilzeitkraft gesehen werden, wenn der Alturlaub - um bei diesem Beispiel zu bleiben - auf sechs Arbeitstage umgerechnet wird. Auch in diesem Fall kann der Mitarbeiter noch zwei Wochen Alturlaub konsumieren.
Bis zur Klärung dieser Frage durch den OGH sollte die EuGH-Entscheidung zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten auch in der Privatwirtschaft berücksichtigt werden. Will man daher in der Praxis eine "wundersame Vermehrung" von Urlaubsansprüchen beziehungsweise einen allfälligen Rechtsstreit über diese Frage vermeiden, sollten Alturlaube vor Umstellung von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitarbeit verbraucht werden.
Um einem Mitarbeiter diesen Verbrauch zu erleichtern, sollte ihm möglichst frühzeitig ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden. Weigert sich der Mitarbeiter, seinen Urlaub zu konsumieren, kann - so auch der EuGH - der Urlaubsanspruch aus der Vollzeitphase auf die Arbeitszeit der Teilzeitphase heruntergekürzt werden.
Remo Sacherer ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei MOSATI Rechtsanwälte.
www.mosati.at