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CDU verliert stark, bleibt aber vorn. | Taktische Spiele für alle begrenzt. | Berlin. Das Einzige, was nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und im Saarland feststeht, ist der Verlust der schwarz-gelben Mehrheit in der deutschen Länderkammer, dem Bundesrat. In allen drei deutschen Bundesländern hat die CDU Stimmen verloren, in Thüringen und an der Saar mehr als zehn Prozent. Dennoch ist sie überall die stärkste Partei geblieben, mit Vorsprüngen vor der SPD zwischen zehn und dreißig Prozent.
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Obwohl die SPD-Anhänger ihr Führungsduo Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering mit frenetischem Applaus feierten, bezog sich die Freude kaum auf die eigenen Erfolge, sondern mehr auf die Niederlage des Hauptgegners und derzeitigen Noch-Koalitionspartners CDU.
Denn in Sachsen wurde die SPD nur halb so stark wie die Linkspartei und landete auf dem dritten Platz. Auch in Thüringen blieb sie hinter der Linken, und im Saarland konnte sie zwar mit einem knappen Vorsprung (von drei Prozent) vor Oskar Lafontaines Linkspartei den zweiten Platz retten, erzielte aber ihr historisch schlechtestes Ergebnis.
Sachsen: Schwarz-Gelb?
Natürlich haben landespolitische und regionale Themen am vergangenen Wahlsonntag die Hauptrolle gespielt. Aber einen knappen Monat vor der großen Bundestagswahl lässt sich die Frage nach den bundespolitischen Konsequenzen nicht vermeiden. Die Ausgangslage: Seit langem gibt es eine Mehrheit von Union und FDP bei bundesweiten Umfragen. SPD, Linkspartei und Grüne zusammen haben es bisher nicht geschafft, diese Mehrheit zu brechen. Somit galt bis Sonntag eine schwarz-gelbe Koalition auf Bundesebene, also ein Doppelgespann von Angela Merkel und Guido Westerwelle, als die wahrscheinlichste Konstellation.
Diese scheint nun auch in Sachsen möglich geworden zu sein, denn die FDP, die ihren Stimmenanteil überall fast verdoppelt hat, würde mit der CDU im Dresdner Landtag die Mehrheit bilden können. Dafür würde die CDU in Thüringen und an der Saar aber mindestens noch einen dritten Partner brauchen. So wird in beiden Ländern die SPD trotz ihrer bescheidenen Ergebnisse das Zünglein an der Waage, ohne das nicht regiert werden kann.
Peter Müller, derzeit noch Ministerpräsident in Saarbrücken, bevorzugt eine "Jamaika-Koalition" (ein schwarz-gelb-grünes Dreierbündnis). SPD-Mann Heiko Maas, bereits zum dritten Mal gegen Müller angetreten, hat aber seinen Anspruch auf Müllers Posten erklärt. Dafür müsste er allerdings mit dem SPD-Dissidenten Oskar Lafontaine, dem Intimfeind der Sozis, einen Pakt schließen und zusätzlich die Grünen mit ins Boot nehmen.
SPD in der Zwickmühle
Maas sind insofern die Hände gebunden, weil seine Partei auch in Thüringen den Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhebt, dort aber deutlich hinter der Linkspartei liegt. Entweder beruft sie sich auf das Prinzip, dass die jeweils stärkere Partei das höchste Amt besetzt - dann müsste sie in Erfurt Bodo Ramelow von der Linken die Chance geben, was sie jedoch vor der Wahl dezidiert ausgeschlossen hatte. Oder sie müsste im Saarland Oskar Lafontaine unterstützen, was sie ebenfalls definitiv ablehnt.
Weil für die Linke zum ersten Mal seit dem Untergang der SED die Möglichkeit besteht, in einem der beiden Bundesländer den Regierungschef zu stellen, wird sie sich nicht kampflos fügen. Die Grünen haben sich bisher strikt geweigert, Ramelow zu wählen. Damit könnten sie aber in Thüringen ihre eigene Regierungsbeteiligung gefährden, weil SPD und Linke gemeinsam eine, wenn auch knappe, Mehrheit zustande brächten. Somit sind die taktischen Spielmöglichkeiten für alle Parteien eng begrenzt.
Schwarz-Gelb ist in Sachsen ziemlich sicher; doch in den beiden anderen Ländern könnte es entweder zu einem fundamentalen Farbwechsel oder zu "großen" Koalitionen kommen.
Frank-Walter Steinmeier, der sich von diesem Wahlsonntag ein klares Signal für einen Politikwechsel und einen Energieschub für den etwas müden Bundestagswahlkampf erhoffte, wurde jedenfalls bitter enttäuscht. Und auch für Angela Merkel stellt sich nun die Frage, ob sie das schwarz-gelbe Projekt gefährdet, wenn sie den bisherigen Schmusewahlkampf aufgibt und im Endspurt vor dem 27. September mehr Biss zeigt, oder ob sie riskiert, dass ihr die Wähler wie trockener Sand aus der Hand rinnen. Der Spätsommer wird spannend. Die Urnen sind erst einmal zu - aber sonst ist noch alles offen.
Siehe auch:Ein Dämpfer für Merkels schwarz-gelbe Träume
+++ NRW: Die SPD erobert das Kölner Rathaus
+++ Schatten deutsch-deutscher Art