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Ursache klein, Wirkung groß

Von Christa Karas

Wissen

Risikoabschätzung benötigt seriöse Forschungsergebnisse. | Einige Beispiele, warum Skepsis nie schaden kann. | Wien. "Traue keiner Statistik oder Studie, die du nicht selbst erstellt bzw. gefälscht hast." - Der Witz mit dem meterlangen Bart ist leider gar nicht so unberechtigt, wie allein schon die seit Jahren andauernde Diskussion über den gesundheitlichen Einfluss des Passivrauchs zeigt. Davon abgesehen, dass jede Interessengruppe - so sie nicht überhaupt deren Auftraggeber ist - Studienergebnisse für sich, also nicht zwangsläufig objektiv interpretiert, liegt das Problem oft auch im Faktischen.


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Gerade dort, wo es wie in epidemiologischen Studien um größte Präzision der Forschung geht, ist die verhältnismäßig große Wahrscheinlichkeit von Fehlern und Irrtümern ein nicht zu unterschätzender Faktor, weshalb Skepsis immer angebracht ist und allzu plakative Resultate schon sehr genau unter die Lupe genommen werden sollten.

Aktueller Anlass dafür ist die Studie "Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland", die das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg für die Weltgesundheitsorganisation WHO durchführte. Bei deren gründlicher Überprüfung durch Romano Grieshaber, Honorarprofessor an der Friedrich-Schiller-Uni in Jena und Leiter des Geschäftsbereiches Prävention der deutschen Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN), konnten zahlreiche Fehler nachgewiesen werden.

Einer der gravierendsten Schönheitsfehler dieser Studie: Relevante Daten dafür wurden dem Bundes-Gesundheitssurvey entnommen, der repräsentative Aussagen bis zur obersten Altersgruppe von 70 bis 79 Jahren liefert. In der Studie wurden dann aber Aussagen über die Altersgruppen "75 bis 84 Jahre" und "85 Jahre und darüber" getroffen - also Gruppen, die nicht eben eine Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, deren Sterblichkeitsrisiko aber per se erhöht ist, während sich die Ursachen dafür (wie Passivrauch) nicht mehr an Einzelfaktoren festmachen lassen.

Daraus entstanden ein wegen seiner Intransparenz nicht nachvollziehbares Datengemisch und der Verdacht der Manipulation zum Zweck eindrucksvollerer Zahlen und Ergebnisse. Grieshaber, der den Studienleiter Prof. Ulrich Keil vom Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin an der Uni Münster im Dezember des Vorjahres in einem 24 Seiten umfassenden Bericht um Aufklärung all dieser Ungereimtheiten bat, wartet seither auf Antwort. Und die Studie bildete dennoch die Grundlage für das generelle Rauchverbot in deutschen Gaststätten.

Keine Berufskrankheit

Als Präventivmediziner ist Grieshaber dabei umso interessierter an seriösen Daten, weil die Folgen des Passivrauchs bisher nicht wirklich ermittelt werden konnten, weshalb sie - derzeit - auch nicht als Berufskrankheit anerkannt sind.

Diesbezüglich ist auch die bereits 1998 veröffentlichte, bis dahin umfangreichste multizentrische Fall-Kontrollstudie der WHO und 12 Kollaborationszentren in sieben europäischen Ländern wenig hilfreich, da deren Ergebnisse keine klaren Schlussfolgerungen über die Kausalität von Passivrauchbelastung und Lungenkrebs zuließ. Die an 650 Nichtrauchern mit Lungenkrebs und 1542 Nichtrauchern ohne Befund bis zum Höchstalter von 74 Jahren im Untersuchungszeitraum von 1988 bis 1994 ermittelte Risikoerhöhung differierte zwar stark zwischen den einzelnen Studienzentren, war aber insgesamt statistisch nicht signifikant.

Seither hat die WHO zwar noch einige Studien veröffentlicht, die aber als mangelhaft belegt kritisiert wurden und die sich in erster Linie mit den Schäden befassen, die sich Raucher selbst zufügen. Mit Recht wurde ihre Beweiskraft daher selbst von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky in Zweifel gezogen. Grieshaber hat indessen aus diesem Grund eine Studie in Auftrag gegeben, die von den entsprechenden deutschen Krankenkassen und der Berufsgenossenschaft BGN für das Gaststättengewerbe entwickelt und durchgeführt wurde.

Erwartungen widerlegt

Verglichen wurden in dieser Studie die Gesundheits- und Krankendaten einer 6,5 Millionen umfassenden, durchschnittlichen Gruppe der arbeitenden Bevölkerung, einer BGN-spezifischen Gruppe von rund 650.000 Erkrankten, einer Expositionsgruppe "Kellner" von rund 62.000 Erkrankten und einer Expositionsgruppe "Köche" von rund 174.000 Erkrankten. - Kurz gefasstes Fazit: Köche und Kellner - ob männlich oder weiblich - zeigten weder bei den ischämischen Herzkrankheiten und schon gar nicht bei den chronischen Erkrankungen der unteren Atemwege die erwartete Erkrankungsdramatik, wie sie - so die Autoren Meyr und Rehm - "in Studien zur Korrelation mit unbrauchbarer Methodik ermittelt wurde." Wobei nicht übersehen werden sollte, dass es just in diesen Berufszweigen viele gibt, die selbst Raucher sind.

Auffallend waren hingegen die verhältnismäßig vielen Fälle zerebro-vaskulärer (die Hirnblutgefäße betreffende) Erkrankungen insbesondere der Kellner, die einer weiteren multifaktorellen Analyse bedürfen. Vom Passivrauch kommt das jedenfalls laut US Surgeon General´s Report aus dem Jahr 2006 nicht, demzufolge eine solche, auf die Umwelt bezogene Erhöhung bei zerebralen Ereignissen nicht nachweisbar ist.