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Hamburg - Nein, sagt Carl-Eduard von Bismarck, der große schwarze Schreibtisch in seinem Büro habe nicht dem Ururgroßvater gehört. "Aber ich glaube, sein Biograf hat damals daran gearbeitet", fügt Bismarck nonchalant hinzu und kramt auf der überladenen Tischplatte nach den Marlboro Lights.
Der Schöpfer des deutschen Nationalstaates ist immer gegenwärtig, wenn man den 41 Jahre alten CDU-Kandidaten des Wahlkreises Herzogtum Lauenburg/Stormarn Süd besucht: Bismarck-Museum, Bismarck-Mausoleum, Schloss Friedrichsruh. Nur 40 Kilometer östlich vom geschäftigen Hamburg, tief im dunklen Sachsenwald, würde es nicht besonders überraschen, wenn der Eiserne Kanzler in seiner Droschke um die Ecke geprescht käme, frisch zurück von einer Ausfahrt durch seinen 5.800 Hektar großen Forst.
Otto von Bismarck-Nachfahre Carl-Eduard bewegt sich als Verwalter des im doppelten Sinn fürstlichen Vermögens lieber in seinem Alfa Romeo über die Holperwege. Dennoch stecke die Tradition, sagt er, tief in ihm. "Ich fühle mich verpflichtet, die Familie nach vorn zu bringen", stellt er fest und erinnert daran, dass bereits sein Großvater im Bundestag den Wahlkreis für die CDU vertrat.
Carl-Eduard von Bismarck besuchte das unter deutschen Adeligen übliche Internat in Salem, machte seinen Abschluss aber in Wentorf, nahe dem Schloss der Familie. Nach zwei Jahren Bundeswehr absolvierte er eine Bankausbildung in den USA, wo er auch Handel studierte.
Nach einem Zwischenspiel bei einer Firma in Düsseldorf übernahm er 1993 die Verwaltung der Häuser, des Waldes und der Namenslizenzen der Familie: Eine der wichtigsten Einnahmequellen der Bismarcks ist ein Mineralwasser, das ihren Namen trägt. Die Firma gehört zwar dem Nahrungsmittelgiganten Nestle, aber die Familie kassiert kräftig mit.
1995 zog es "Calle" in die Politik. Wurde das Verwalten des Namens und der Wälder zu langweilig? Bismarck: "Das politische Interesse kommt aus dem Blut." Er wurde CDU-Mitglied, 1998 in den Gemeinderat gewählt, übernahm 1999 den Ortvorsitz. Aus den zahlreichen Intrigen der schleswig-holsteinischen CDU habe er sich herausgehalten. 2001 wurde er zum Kandidaten für den Wahlkreis aufgestellt. Sein Programm: Er will sich für den Mittelstand einsetzen und viel für den Wahlkreis tun.
Für adlige Verhältnisse sind die Bismarcks Newcomer in Norddeutschland: 1871 bekam Otto den Sachsenwald von Kaiser Wilhelm I. geschenkt. Bis zu seinem Tod 1898 lebte er dort auf Schloss Friedrichsruh. Heute ist der Vater von Carl-Eduard, Ferdinand von Bismarck, das Familienoberhaupt, er trägt den Titel Fürst, den Carl-Eduard als ältester Sohn erbt.
Mit seinem Vater teilt sich Carl-Eduard das Schloss als Wohnsitz. Doch den Wahlkampf führt er aus dem Verwaltergebäude nebenan. Im rummeligen früheren Büro des Forstdirektors laufen die Stränge zusammen, auch wenn der Tandon-Computer mit dem alten Floppylaufwerk nicht so aussieht, als wäre er in jüngerer Zeit eingeschaltet worden. Egal, Carl-Eduard macht ohnehin lieber auf der Straße Wahlkampf. "Bei der Kommunalwahl habe ich 330 Hausbesuche gemacht."Damit Bismarck sich nicht auf Klinkenputzer-Charme verlassen muss, hat er 50.000 Euro aus eigener Tasche für die Schlacht um den Wahlkreis locker gemacht. Ob das reicht? "Ich sehe große Chancen, direkt zu gewinnen", sagt er und verweist darauf, dass 1998 die SPD nur 5.000 Stimmen vorne lag und der Wahlkreis 1994 mit satter Mehrheit an die CDU ging. Abgesichert über die Landesliste ist er nicht.