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US-Armee an der Grenze des Möglichen

Von Ines Scholz

Politik

Der US-Armeeführung ist zurzeit nicht nach neuen militärischen Abenteuern. Die Kapazitäten sind durch die Einsätze in Irak und Afghanistan derart ausgehöhlt, dass ein weiterer Waffengang nur mit größter Mühe und unter enormem Zeitaufwand zu gewinnen wäre, warnen die Strategen in einem Geheimbericht, der dem Kongress vorgelegt werden soll.


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Mit ungewöhnlicher Offenheit wird in dem vom scheidenden US-Generalstabschef Richard Myers verfassten Dossier der Istzustand der Armee beklagt. Das Bild, das er zeichnet, ist düster. Wegen der personellen und ressourcenbedingten Überlastung der Streitkräfte wäre die Schlagkraft im Falle eines weiteren Kriegsschauplatzes deutlich eingeschränkt. Vor allem Nordkorea, das Gerüchten zufolge demnächst die erste Nuklearbombe testen will, und der Iran werden wegen ihres Atomprogramms immer wieder als potentielle Bedrohung dargestellt.

Da nicht rasch genug auf die Herausforderungen reagiert werden könne, sei künftig mit höheren Opfern und größeren Begleitschäden zu rechnen, warnt Myers in dem für den US-Kongress erstellten Geheimbericht. Er beklagt, dass vor allem das Arsenal an Präzisionswaffen durch den Krieg im Irak zusammengeschmolzen ist. Dort sind mit 135.000 Soldaten zurzeit 40 Prozent der US-Streitkräfte stationiert, in Afghanistan stehen 17.000 Mann.

Große Sorge bereitet auch die sinkende Zahl an Rekruten und Reservisten. Im April meldeten sich um ganze 42 Prozent weniger Rekruten für das Berufsheer an als erhofft. Auch die Reserve blieb um 37 Prozent hinter ihrem Ziel zurück. Damit verfehlte die Armee bereits den dritten Monat in Folge ihre Zielvorgaben.

Zurückgeführt wird die Zurückhaltung in erster Linie auf die Angst vor einem Einsatz im Irak. Dort fielen seit Kriegsbeginn bereits 1.600 GIs, was die Zustimmung zu dem Waffengang beharrlich sinken ließ. Laut jüngster Gallup-Umfrage befürworten heute nur noch 41 Prozent der Amerikaner diesen Krieg, 2003 waren es noch 73. Dazu beitragen dürften auch die hohen Kosten des Militärengagements. In den kommenden Tagen will der Kongress auf Bitten der Regierung für die Aufständischen-Bekämpfung im Irak und in Afghanistan erneut 82 Mrd. Dollar locker machen. Damit haben die Ausgaben für den Anti-Terror-Kampf die 300-Mrd.-Dollar-Schwelle erreicht.

An der Siegesfähigkeit der "US-Army" lässt der höchste General, der im Herbst seinem bisherigen Stellvertreter Peter Pace Platz machen wird, trotz der Unwägbarkeiten aber keinen Zweifel. Die Streitkräfte würden jede größere Operation erfolgreich zu Ende bringen, versichert er in dem Bericht.