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US-Budget: Bankrott der Politik

Von Alexander U. Mathé

Politik
Egal ob Fiskalklippe oder Sparprogramm über dem US-Kongress braut sich etwas zusammen.
© reu

Vorprogrammiertes Hin und Her mit Dauerangst für die Märkte.


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Washington/Wien. Die Verhandlungen über Haushalt und Schuldenobergrenze in den USA, beziehungsweise die Art mit ihnen umzugehen, hätte durchaus etwas Unterhaltsames - wären damit nicht so ernste Konsequenzen wie Rezession und Arbeitslosigkeit verbunden. Seit Jahren geht es dabei zu wie in der Geisterbahn: Eine mulmige Fahrt ins Ungewisse mit zu erwartenden Horrorvisionen, deren Erscheinen von hysterischem Geschrei begleitet wird. Nach alsbaldigem Verschwinden des Grusels ist nur eines gewiss: der nächste kommt bestimmt. Alles wartet darauf, dass der Spuk endlich ein Ende hat.

Als die Republikaner 2010 im Abgeordnetenhaus das Ruder übernahmen, einigten sie sich mit Präsident Barack Obama darauf, unter Ex-Präsident George W. Bush eingeführte Steuererleichterungen bis 2013 zu verlängern. 2011 folgte der erste große Schrecken für die Märkte. Obama und seine Demokraten forderten eine Erhöhung der Schuldenobergrenze, da die Regierung ansonsten zahlungsunfähig sei. Die Republikaner blockierten. Ein überparteiliches Komitee arbeitete an einer Einigung - vergeblich. In letzter Sekunde einigte man sich darauf, das Problem mit einem Kompromiss zu verschieben: Die Schuldenobergrenze wurde angehoben und im Gegenzug dafür ein Sparprogramm in Höhe von 1,2 Billionen Dollar über die nächsten 10 Jahre beschlossen. Die Idee dahinter war es, ein Szenario zu schaffen, das so abschreckend wirkt, dass es bis 2013 auf jeden Fall zu einem Einvernehmen kommt. Der Streit hinterließ seine Spuren. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde von AAA auf AA+ herabgestuft.

Die große Zitterpartie

Im Herbst 2012 begann das große Zittern der Welt vor der sogenannten Fiskalklippe: Die Steuererleichterungen würden am 1. Jänner auslaufen und zugleich das große Sparprogramm in Kraft treten, so es nicht zu einer Einigung käme. Die Märkte begaben sich auf Talfahrt. Die Situation wurde immer dramatischer bis schließlich in buchstäblich letzter Sekunde - zu Neujahr - eine Einigung verkündet wurde. Bushs Steuererleichterungen wurden verlängert. Ausnahme: Reiche Amerikaner. Sie wurden im Gegenteil stärker zur Kasse gebeten. "Fiskalklippe umschifft", hieß es, die Märkte freuten sich, doch die automatischen Ausgabenkürzungen wurden lediglich um zwei Monate verschoben. So tauchte das Schreckgespenst am Freitag erneut auf.

Immerhin scheint der Horror - so wie in der Geisterbahn auch - allmählich seinen Schrecken zu verlieren. Die Reaktion der Märkte hielt sich diesmal in Grenzen. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte erreichte am Mittwoch ein Fünf-Jahres-Hoch, das am Donnerstag sogar noch übertroffen wurde.

So sicher wie das Amen im Gebet folgt Ende März der nächste Grusel, wenn die Regierung vom Kongress eine neue Erlaubnis zum Geldausgeben braucht. Bekommt sie die nicht, ist die Zahlungsunfähigkeit wieder am Tapet. Im (zu erwartenden Fall) einer Einigung endet die Fahrt natürlich nicht dort. Für garantierten Horror sorgen die Verhandlungen im Mai, wenn sich Demokraten und Republikaner auf eine neue Schuldenobergrenze einigen müssen. Ansonsten dürfen sich die USA nirgends mehr Geld leihen.

Das ewige Hin und Her entwickelt sich zu einer Bankrotterklärung für die Politik. Die Idee, provisorisch etwas ganz Schreckliches zu vereinbaren und zu hoffen, es im Nachhinein wieder rückgängig zu machen, ist zumindest hinterfragenswert. Für die Republikaner, ohne die es keine Beschlüsse gibt, sind die Verhandlungen der wertvollste Chip im politischen Poker. Begründet liegt das nicht zuletzt im politischen System, das das Regieren sehr schwer macht, wenn auch nur ein Kammer des Kongresses einer anderen Partei zufällt, als der des Präsidenten. Sehr gut sieht man das bei der Schuldenobergrenze. Der Präsident kann zwar dem Kongress ein Budget vorschlagen, die Parlamentarier könne dieses allerdings nach Belieben ändern. Einmal verabschiedet ist der Präsident per Gesetz gezwungen, die dort verankerten Ausgaben zu tätigen. Übersteigt das Budget die Steuereinnahmen - was es grundsätzlich tut -, muss die Regierung Geld aufnehmen. Bewegt sich das Defizit am gesetzlichen Limit, muss dieses erhöht werden, was wiederum nur der Kongress beschließen kann.

Mühsam wird das ganze letztlich dadurch, dass sich die demokratischen und republikanischen Kongressabgeordneten grundsätzlich bei jeder einzelnen Schreckensstation darin einig sind, dass etwas geschehen muss.

So auch bei der automatischen Kürzung der Staatsausgaben. Sowohl die Republikaner, als auch Präsident Barack Obama wissen, dass die Kürzungen mit der Gartenschere und nicht mit dem Rasenmäher erfolgen müssen. Doch jeder ist damit beschäftigt, dem anderen den schwarzen Peter zuzuschieben. Die Republikaner sagen, Barack Obama erpresst sie, weil er zusätzlich zur Sparumstrukturierung Steuererhöhungen, zumal für Reiche, fordert. Obamas Lager wiederum wirft den Republikanern mangelnde Kompromissbereitschaft und prinzipielle Blockadehaltung vor, die darauf abzielt, den Präsidenten zu schwächen. So wird letztlich die Wirtschaft dem politischen Kalkül geopfert.