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US-Demokraten: Gegen Trump sein reicht nicht

Von Alexander Dworzak

Politik

Die Demokraten verlieren in Virginia die wichtigste US-Wahl 2021, weil die Republikaner wieder in Vorstädten punkten.


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Virginia ist ein hartes Pflaster für die Parteien von amtierenden US-Präsidenten. Gleich ob Demokraten oder Republikaner, seit bald einem halben Jahrhundert haben ihre Kandidaten bei der auf die Präsidentschaftswahl folgendende Gouverneurswahl verloren - mit Ausnahme von Terry McAuliffe im Jahr 2013. Dieses Kunststück gelingt dem Demokraten kein zweites Mal, er musste sich nun dem Republikaner Glenn Youngkin um zwei Prozentpunkte geschlagen geben.

Der eigentliche Verlierer der Wahl heißt jedoch Joe Biden: Bei der Präsidentschaftswahl hängte er Donald Trump im südöstlichen Bundesstaat um mehr als zehn Prozentpunkte ab. Dass sich die politische Stimmungslage binnen eines Jahres so stark dreht, liegt auch an der Schwäche des Mannes im Weißen Haus.

Nichts ist mehr übrig vom Glanz der ersten Monate, in denen Bidens Administration hochprofessionell agierte und Trumps erratische Amtsführung geradezu grotesk erscheinen ließ. Auch konnten die USA eine wesentlich höhere Corona-Impfquote als die meisten EU-Länder verzeichnen. Die Pandemie ist dennoch nicht vorbei, in den vergangenen sieben Tagen verzeichneten die Vereinigten Staaten im Schnitt pro Tag 75.000 Neuinfektionen.

Löcher in den Brieftaschen

In den Köpfen vieler Wähler Virginias spielt Covid-19 als Krankheit keine entscheidende Rolle mehr, sehr wohl zählen die Folgen der Krise auf die wirtschaftliche Lage, Bildung und Steuern. Seit Mai liegt die Inflationsrate in den USA zumindest bei fünf Prozent, im September waren es 5,4 Prozent. Auch die Preise für Rohöl und Benzin schießen in die Höhe. Seit Jahresbeginn sind an der Tankstelle statt 0,53 nun 0,85 Euro pro Liter zu zahlen. Das spüren die Wähler in ihren Brieftaschen. "It’s the economy, stupid", wusste bereits Ex-Präsident Bill Clinton. Biden gibt sich keiner Illusionen hin. Noch vor der Wahl in Virginia sagte er, dass die Preise erst im kommenden Jahr "schleichend" sinken werden.

Mit diesen Sorgen kämpfen auch andere Industriestaaten, Biden hat aber noch einige hausgemachte Probleme: Der desaströse Abzug der USA aus Afghanistan kratzte am Image des Außenpolitikers mit jahrzehntelanger Erfahrung. Noch viel schlimmer wog, dass die Flügelkämpfe innerhalb seiner eigenen Partei Bidens politische Agenda zurückwerfen. Der Präsident kürzte sein Investitionspaket für Soziales und Klima um die Hälfte auf 1,75 Billionen Dollar, damit dieses auch auf Gefallen beim sogenannten moderaten Flügel stößt - sehr zum Missfallen der selbsternannten "Progressiven". Der linke Parteiflügel ortet auch präsidiale Versäumnisse, wenn es um Polizeireformen nach rassistischen Übergriffen sowie um den Schutz von Wählerrechten geht, die von republikanisch dominierten Bundesstaaten ausgehöhlt werden. Der linke Frust mündet im Daheimbleiben bei Wahlen.

Vor allem genügt es nicht mehr, den Anti-Trump zu geben. McAuliffe stellte seinen Kontrahenten Youngkin als Mini-Ausgabe des früheren Präsidenten dar. "Extremismus kann in vielen Formen auftreten. In Form eines Mobs, der das Kapitol stürmt. Aber auch mit einem Lächeln und in einer Fleecejacke", warnte Biden höchstpersönlich vor Youngkin und spielte auf dessen bevorzugtes Kleidungsstück an.

Erfolgsrezept für Wahlen 2022?

Der 54-jährige frühere Vorstandsvorsitzende der Beteiligungsgesellschaft Carlyle Group punktete insbesondere in Vorstädten, wo sich viele Wähler bei der Präsidentschaftswahl von Trumps Stil empört zeigten. Youngkin lehnte sich aber auch an Trump an, indem er den Wahlkampf in einen vermeintlichen Kulturkampf verwandelte. Seine zentrale Botschaft: Linke Kämpfer bei den Themen Ethnie und Geschlecht brächten die Schulen in Gefahr. Youngkin versprach Eltern, sie sollten mehr Kontrolle über Lehrinhalte haben. Er zitierte dabei unentwegt seinen demokratischen Kontrahent McAuliffen, der sagte: "Ich denke nicht, dass Eltern Schulen erklären sollen, was diese lehren."

Dem Republikaner gelang es nicht nur, Trump-Skeptiker für sich zu gewinnen. Er verprellte auch nicht die glühende Anhängerschaft des Ex-Präsidenten. Im Vorwahlkampf verbreitete er sogar Trumps Lügen über die "gestohlene" Präsidentschaftswahl. Im Rennen gegen die Demokraten zeigte er seine Sympathien weit weniger offen. Trump tat Youngkin auch den Gefallen, nicht öffentlich in Virginia aufzutreten.

Sollte dieses Rezept auch bei den Midterm-Wahlen im Herbst 2022 wirken und sollten sich die Demokraten weiter in internen Kämpfen aufreiben, muss Bidens Partei mehr denn je um ihre Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus bangen. Der Präsident müsste sich dann auf republikanische Obstruktionspolitik wie in der Amtszeit von Barack Obama gefasst machen.