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US-Demokraten verlieren an Zustimmung

Von Michael Schmölzer

Politik
Keine hohen Sympathiewerte: US-Präsident Joe Biden.
© reuters / Leah Millis

Am 8. November finden Kongresswahlen statt. Ein Erfolg der Republikaner wäre Rückenwind für Trumps Comeback.


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In den USA stehen Midterm Elections an. Die Stimmung ist derart aufgeheizt, dass die zuständigen Behörden Sicherheitsvorkehrungen treffen, die in dieser Form einzigartig sind: Wachpersonal soll am 8. November Zwischenfälle verhindern, manche Wahllokale werden mit Panzerglas ausgestattet, Gebäudewände mit schuss- und feuerfestem Kevlar versehen. Die Verantwortlichen reagieren damit auf Drohungen, die im Zusammenhang mit den Kongress- und Gouverneurswahlen eingegangen sind.

Seit Donald Trump das Rennen um die Präsidentschaft vor zwei Jahren verloren hat, ist die Aggressionsbereitschaft in den USA erheblich gestiegen. Niemand weiß, wozu Verschwörungstheoretiker und Wahlleugner fähig sind - und so werden Wahllokale auch mit Überwachungskameras und Alarmknöpfen ausgestattet. Wo der Wahlausgang ungewiss ist - in den sogenannten "Battleground States" - wird fallweise sogar über die Anschaffung eigener Metalldetektoren nachgedacht.

Massive Einschüchterung

Trumps Version, dass ihm der Wahlsieg gestohlen wurde, hat zu einer Desinformationskampagne geführt, bei der keine Behauptung zu abwegig erscheint. In diesem politischen Klima fürchten sich Wahlhelfer vor Einschüchterung oder wurden bereits bedrängt. Philadelphia hat deshalb Probleme, Personen zu finden, die beim Auszählen helfen, und die Bezahlung aufgestockt.

Es steht in der Tat einiges auf dem Spiel bei diesem Votum. Nicht nur wird das gesamte Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten und ein Drittel des Senats gewählt: Es geht darum, ob Joe Biden in den kommenden zwei Jahren politische Vorhaben umsetzen kann, oder ob er, als "Lame Duck" in seiner Macht beschnitten, nur noch Minimales durchbringt. Und sollten die Republikaner erfolgreich sein, dann wäre das auch Rückenwind für Donald Trump, der ganz offensichtlich Ambitionen hat, 2024 für eine weitere Amtszeit ins Weiße Haus zurückzukehren. Trump hat sich massiv in die Wahlkämpfe eingemischt und fast 200 republikanischen Kandidaten seine Rückendeckung gegeben. Diese agieren in ihrem Auftreten häufig wie Trump-Klone - moderate Republikaner gibt es immer weniger.

Betrachtet man die Midterm eEections der letzten Jahre, hat die Partei des amtierenden Präsidenten fast immer Sitze einbüßen müssen. Nicht unwahrscheinlich also, dass sich auch diesmal die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Republikaner ändern.

Derzeit haben die Demokraten im Repräsentantenhaus eine Mehrheit von 222 zu 213 Sitzen. Im Senat verfügen Demokraten und Republikaner über je 50 Mandate. Bei einem Patt gibt derzeit die Stimme der demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag.

Den Prognosen zufolge sind nur sieben Senatssitze von den 35, die neu besetzt werden, umkämpft. Die Republikaner müssten zwei Sitze in zwei Bundesstaaten verteidigen, die bei den Präsidentschaftswahlen 2020 an den Demokraten Joe Biden gingen: Pennsylvania und Wisconsin. Entscheidend könnte auch sein, wie die Wahl im Swing State Nevada ausgeht.

Weniger als drei Wochen vor der Wahl gibt es für die Demokraten jedenfalls keinen Anlass für Euphorie. Während es im Senat eine Zitterpartie werden dürfte, prognostizieren die Experten einen republikanischen Wahlsieg im Repräsentantenhaus. Die demokratischen Kandidaten müssen befürchten, dass sie stellvertretend für den demokratischen US-Präsidenten abgestraft werden. Der Rückhalt Bidens unter den US-Bürgern ist unverändert schwach. Laut einer Reuters/Ipsos-Erhebung liegt der Zustimmungswert des Präsidenten bei matten 40 Prozent. Im März 2021 waren noch 55 Prozent der US-Bürger mit dem amtierenden Präsidenten zufrieden. Dass in Bidens Amtszeit zehn Millionen Arbeitsplätze entstanden sind, Investitionen in die Infrastruktur getätigt und Studienschulden getilgt wurden, hat die Popularität des Demokraten nicht steigern können.

Wirtschaft Thema Nummer 1

Zuletzt hat Biden versucht, mit dem Reizthema Abtreibung demokratische Wähler zu begeistern. So hat er die Bedeutung eines bundesweiten Rechts auf Schwangerschaftsabbruch bekräftigt: Es sei wichtig, dass ein demokratischer Kongress ein solches bundesweites Gesetz verabschiede, er werde dieses dann im Jänner unterzeichnen. Ende Juni wurde ein existentes bundesweites Recht auf Abtreibung vom Supreme Court aufgehoben.

Allerdings bezeichnet einer von drei befragten US-Bürgern die Wirtschaft als größtes Problem, Abtreibung folgt erst auf Platz 10. Tatsächlich ist es die Angst vor der Wirtschaftskrise, die derzeit alles überlagert. Und die Republikaner konnten hier ihre Themen durchsetzen - die Preissteigerungen und die angeblich gestiegenen Steuern für die amerikanische Mittelschicht.

Und ob Biden mit seinen Lockerungen der Marihuana-Politik das Ruder herumzureißen kann, ist mehr als fraglich. Zuletzt hat er per Erlass eine Begnadigung für alle Verurteilten ausgesprochen, die wegen des Besitzes der Droge schuldig gesprochen worden waren. Hier geht es darum, am linken Rand der Demokraten Sympathien zu erwerben.

Abseits davon werden in 36 von 50 US-Bundesstaaten Gouverneurswahlen abgehalten, dazu kommen in einigen Bundesstaaten noch Referenden. Die republikanische Gouverneurs-Kandidatin in Arizona, Kari Lake, ein eiserner Trump-Fan, wollte zuletzt nicht sagen, ob sie eine Niederlage akzeptieren würde. Und das ist bei weitem nicht der einzige gefährliche Eklat, der bei diesen Wahlen möglich ist.