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US-Elite-Unis locken mit Rabatten

Von WZ-Korrespondentin Katja Ridderbusch

Wissen

Kindern von Normalverdienern werden oft 80 Prozent der Gebühr erlassen. | Die Angst vor Mittelklasse geht um. | Atlanta. Vor einem Jahr hätte Kyle Black nicht einmal davon geträumt, an der Emory University in Atlanta zu studieren, einer privaten Hochschule, die unter den 20 besten Universitäten der USA rangiert. Kosten von 44.800 Dollar pro Jahr, das war undenkbar für Kyle, einen 18-jährigen Afro-Amerikaner, dessen Mutter alleinerziehend und arbeitslos ist.


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Heute studiert Kyle Black Marketing an der Emory University. "Manchmal kommt es mir ganz unwirklich vor, dass ich hier bin." Er ist einer der ersten Studenten, die von Emory Advantage profitieren, einem Programm, mit dem die private Elite-Universität Studenten aus bedürftigen Elternhäusern sowie aus Mittelklassefamilien den Zugang zu einer hochwertigen akademischen Grundausbildung öffnen will.

"Das Thema bewegt die amerikanischen Hochschulen schon seit Jahren", sagt Daniel Walls, Vize-Rektor der Emory University. "Wir wollen die besten Studenten nach Emory holen, und das sind nicht immer die, deren Daddy den dicksten Geldbeutel hat." Tatsächlich sind es bisher vor allem letztere, die die Elitehochschulen bevölkern. Laut einer Studie stammen in den 146 erlesensten Colleges drei Prozent der Studenten aus der unteren Einkommensgruppe, 74 Prozent aus dem oberen Viertel.

Kürzlich kündigte auch die Harvard-University an, 2008 die finanzielle Unterstützung für Studenten aus Mittelklassefamilien auszudehnen. Andere hochkarätige Hochschulen wie Princeton, Yale, Columbia, Cornell oder die University of Pennsylvania haben ähnliche Schritte eingeleitet, ebenso wie die Elite-Unis Stanford, Berkely, Amherst, Wesleyan und Notre Dame.

Strenge Auslese

Förderprogramme für Studenten aus einkommensschwachen Familien gibt es schon länger. Bereits vor drei Jahren reagierte Harvard, mit einem Stiftungsvermögen von 35 Milliarden Dollar die reichste Universität der Vereinigten Staaten, auf den öffentlichen Druck. Sie erlässt seither Studenten, deren Familien ein Jahreseinkommen von weniger als 60.000 Dollar haben, die Studiengebühren. Jeder Student, ob reich oder arm, muss allerdings hohe Hürden nehmen: Voraussetzung für die Aufnahme sind unter anderem hervorragende Highschool-Zeugnisse, schriftlicher und mündlicher Eingangstest, Bewerbungsgespräche und Empfehlungsschreiben.

Der drohende Absturz der Mittelklasse ist ein derzeit heiß diskutiertes Wahlkampf- und Talkshowthema. Tatsächlich ist es vor allem die Mittelklasse, die unter der Krise des Immobilienmarktes und der zunehmenden Verschuldung der Privathaushalte leidet. "War on the Middle Class" heißt ein Buch des populären CNN-Moderator Lou Dobbs aus dem Jahr 2006, das sich noch immer weit oben auf den US-Bestsellerlisten hält.

"Uns allen ist der zunehmende Druck auf die Mittelklasse bewusst", sagte Harvard-Präsident Drew Gilpin Faust bei der Vorstellung eines neuen Programms, das sich an Familien mit einem Jahreseinkommen von bis zu 180.000 Dollar richtet. Diese müssen künftig nur noch Gebühren in Höhe von 10 Prozent ihres Jahreseinkommens zahlen. Für eine Familie mit einem Einkommen von 120.000 Dollar wären das Studiengebühren von 12.000 Dollar. Normalerweise wären es 46.000.

Auch Emory will mit seinem Advantage-Programm Studenten aus Mittelklassefamilien unterstützen: Für Familien mit einem Einkommen zwischen 50.000 und 100.000 Dollar begrenzt die Universität die Höhe des Kredits für das Studium auf 15.000 Dollar pro Jahr. Den Rest zahlt Emory.

Schulden fürs Studium

"Diese Familien verdienen zu viel, um sich für die meisten Förderprogramme zu qualifizieren. Aber sie müssen sich dennoch häufig hoch verschulden, um die Kosten für ein Studium aufzubringen", sagte Emory-Präsident James W. Wagner. "Das ist absurd." Die private Verschuldung der amerikanischen Haushalte beläuft sich nicht zuletzt durch hohe Studienkredite auf insgesamt rund 2,4 Billionen Dollar. Die Schockwellen der Immobilienkrise haben nun mit dazu beigetragen, dass die Universitäten ebenso wie die Wirtschaft ein Abrutschen der Mittelklasse fürchten - und jetzt mit aller Kraft gegensteuern.

Kyle Black freut sich derweil einfach, auf dem noblen Campus von Emory studieren zu können. Zwar muss er noch immer einen Eigenbeitrag von rund 2000 Dollar pro Jahr leisten, aber das bekomme er "gut hin mit einem Job in den Semesterferien". Bevor er von dem Förderprogramm erfuhr, wollte sich Kyle übrigens bei der University of Georgia, einer staatlichen Hochschule, einschreiben. "Denn ohne das Emory-Programm hätte ich nie die Chance gehabt, an so einer Uni zu studieren."

Wissen: US-Studiengebühren

Die USA sind Spitzenreiter bei Studiengebühren. Zwischen 5000 und 50.000 Dollar pro Jahr kostet der Besuch einer höheren Schule. Dabei sind die privaten Universitäten, vor allem Elite-Schulen wie Harvard, Yale, Princeton, Columbia, Stanford oder Berkely zwar im Allgemeinen teurer als die staatlichen, aber auch letztere verlangen Gebühren.

Allerdings stehen eine Vielzahl von Förderprogrammen und Stipendien zur Verfügung. Etwa die Hälfte der 15,2 Millionen Undergraduate-Studenten erhält irgendeine Form von Hilfe.

Die wichtigste staatliche Unterstützung sind die Pell Grants. Sie werden ausschließlich nach den Kriterien finanzieller Bedürftigkeit vergeben. Etwa 12,7 Milliarden Dollar an Pell Grants flossen 2005/2006 - drei Prozent weniger als im Vorjahr.