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Hubschrauber hatte pakistanische Grenztruppen angegriffen. | Die Grenze am Khyber-Pass ist für den Nato-Nachschub seit Tagen dicht. | Neu Delhi. Es war eine außergewöhnliche Geste: "Wir entschuldigen uns in aller Form bei Pakistan und den Familien der Grenztruppen, die getötet und verletzt wurden", erklärte die US-Botschafterin Anne Patterson in Islamabad.
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Vor gut einer Woche hatte ein Nato-Hubschrauber nahe der afghanischen Grenze aus Versehen einen pakistanischen Wachposten angegriffen, mindestens zwei Soldaten starben. Nach dem Zwischenfall schloss ein verärgertes Pakistan die Versorgungsroute für Nato-Konvois über den Khyber-Pass auf unbestimmte Zeit. Damit blieb nur noch die Route über Belutschistan offen. Doch dort kam es plötzlich zu einer ganzen Anschlagserie auf Nato-Tanker, die den für das Militär lebenswichtige Treibstoff nach Afghanistan liefern.
Fast jeden Tag wurden Laster in Brand gesteckt und deren Fahrer erschossen oder davongejagt. Allein am Mittwoch gab es noch einmal zwei große Überfälle: Vor dem Grenzübergang Torkham am Khyber-Pass stauen sich inzwischen Tausende Fahrzeuge, die nicht nach Afghanistan durchgelassen werden.
Auch wenn die Nato in Afghanistan erklärt, die Versorgung sei durch die momentanen Reibereien nicht gefährdet, ist die Öffnung der Grenze eine Priorität. Um die 80 Prozent des Nachschubs für die westlichen Truppen am Hindukusch müssen durch Pakistan. Und ohne Treibstoff ist der Krieg in Afghanistan nicht zu führen. Mit der Laster-Krise zeigt Pakistan den USA wirkungsvoll, dass es ohne Pakistan in Afghanistan nicht geht.
Nach der offiziellen Entschuldigung der USA dürfte die Grenze vermutlich bald wieder geöffnet werden.
24 Drohnenangriffe auf pakistanischem Gebiet
Es sei ein "schrecklicher Unfall" gewesen, bedauerte US-Diplomatin Patterson den Grenz-Vorfall. Das ist ungewöhnlich, denn eigentlich entschuldigt sich Amerika für solche Luftschläge nicht. Seit Anfang September haben die USA eine Rekordzahl von 24 Drohnenangriffe auf pakistanischem Boden geflogen, mit denen sie angebliche Verstecke des Terrornetzwerkes Al Kaida und der Taliban bombardieren.
Offiziell gibt die USA die Existenz solcher Luftangriffe nicht zu. Die Drohneneinsätze zielen im Moment besonders auf das Gebiet Nord-Waziristan an der afghanischen Grenze, wo das pakistanische Militär nicht kämpfen will.
Ein jüngst veröffentlichter Bericht des Weißen Hauses in Washington für den US-Kongress beschuldigt Pakistan, den direkten Konflikt mit Al Kaida und Taliban zu vermeiden. Weil die USA jedoch die militanten Kämpfer in ihrem Rückzugsgebiet in Pakistan schwächen wollen, bleibt kaum eine andere Option, als die Luftangriffe auszuweiten.
Pakistan lässt Muskeln spielen
Pakistan zeigt im Moment eine Show der Stärke - und die bezieht sich nicht allein auf das Benzin für die Nato-Truppen. Weil die Nato bereits 2011 mit den Abzug der Truppen in Afghanistan beginnen will, sind Friedens-Verhandlungen mit den radikal-islamischen Taliban unabdingbar. Doch das wird ohne Pakistan am Verhandlungstisch nicht gehen. Zu den zwei entscheidenden Gruppen, dem Haqqani-Netzwerk und der Quetta-Shura um Mullah Omar, laufen die Fäden über Islamabad.
Die im Augenblick angespannten Beziehungen zwischen Pakistan und den USA dürften nicht allein mit dem Tod von zwei Grenzsoldaten zu tun haben. Im Hintergrund geht es um viel mehr: Die Verhandlungshoheit um die neue Friedensordnung in Afghanistan. Denn Pakistan möchte ein gehöriges Wort mitsprechen, wenn es um die Zukunft seines Nachbarlandes im Nordwesten geht.
Ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums protestierte am Donnerstag gegen die US-Drohnenangriffe gegen mutmaßliche Aufständische. Es gebe keine Rechtfertigung für die Einsätze. Bei einem neuerlichen Drohnenangriff im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan sind am Donnerstag vier Menschen getötet worden.