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US-Falken gegen chinesische Wölfe

Von Klaus Huhold

Politik
© Illustration: Irma Tulek

Die Corona-Krise hat die Rivalität zwischen den USA und China nochmals verschärft. Dies droht auch die restliche Welt in Mitleidenschaft zu ziehen. Eine Analyse.


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Die neueste chinesische Reaktion auf US-Präsident Donald Trump: Spott. "Dieser Präsident hatte vorgeschlagen, dass sich Covid-19-Patienten Desinfektionsmittel injizieren sollten, um das Virus zu töten", schrieb Hu Xijin, Herausgeber der englischsprachigen, chinesischen Zeitung "Global Times", auf Twitter. Das sollte man laut Hu in Erinnerung behalten, wenn Trump nun sagt, er könne alle Beziehungen mit China abbrechen.

Trump hatte nämlich in einem Gespräch mit dem Sender Fox Business tatsächlich angedroht, "die gesamten Beziehungen" mit China zu beenden. "Was würde dann passieren? Wir würden 500 Milliarden Dollar sparen", sagte er und spielte damit auf die von ihm wiederholt kritisierten chinesischen Exporte in die USA an. Trump betonte in dem Gespräch auch erneut, dass er sehr enttäuscht von China sei. Das Virus kam aus China und Peking hätte es stoppen können.

Das offizielle China hielt sich in einer ersten Reaktion zurück. Stabile Beziehungen liegen im Grundinteresse beider Völker, hieß es. Die Angriffsflanke überließ die KP diesmal Leuten wie Hu Xijin - das Naheverhältnis, das der Journalist zum Regime hat, zeigt sich alleine darin, dass er Twitter, einen in China sonst verbotenen Kanal, benutzen darf.

Freilich gilt es bei den Angriffen des US-Präsidenten zu bedenken, dass sich Amtsinhaber Trump schon im Wahlkampfmodus für das Präsidentenvotum im November befindet. Das Coronavirus wütet mit bereits mehr als 85.000 Todesfällen in den USA, allein seit Mitte März haben 36 Millionen Bürger ihren Job - und damit oftmals auch ihre Krankenversicherung - verloren. China kommt da als der Schuldige für die Misere gerade recht.

US-Regierung sieht Chinas Aufstieg als Gefahr an

Gleichzeitig war die Trump-Administration schon von ihrem Antritt an mit Falken besetzt, die Peking als großen Feind ausgemacht haben, was sich bereits im Handelskrieg zeigte. Bestes Beispiel dafür ist Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro. Dessen These, die er auch in verschiedenen Büchern ausgebreitet hat, lautet verkürzt: Mit seinen billigen, subventionierten Exporten greift China die US-Wirtschaft massiv an, der Aufstieg der Volksrepublik ist um jeden Preis zu stoppen.

Auf der anderen Seite des Pazifik bestimmen aber auch keine Lämmer die Politik. Mit Xi Jinping herrscht in China ein äußerst machtbewusster Staatschef, der den globalen Aufstieg Chinas forcieren will. Und im Regierungsapparat gewinnt offenbar immer mehr eine Gruppe die Oberhand, die sich "Wolfskrieger" nennt - der Name leitet sich von einem chinesischen Actionfilm ab. Zu ihnen zählt etwa Zhao Lijian, ein Sprecher des Außenministeriums, der die offenkundige Verschwörungstheorie verbreitet hat, dass das US-Militär das Coronavirus nach China eingeschleppt hätte.

Dass China mittlerweile ähnlich wie Trump Außenpolitik mit massivem wirtschaftlichen Druck bis hin zur Erpressung betreiben kann, hat jüngst Australien erfahren: Kaum hatte sich das Land der Forderung der USA nach einer internationalen Untersuchung über den Ursprung des Coronavirus angeschlossen, drohte Chinas Botschafter Cheng Jingye damit, dass Chinas Konsumenten künftig australische Waren boykottieren könnten.

Die Corona-Krise hat noch einmal gezeigt, welche Gegner die USA und China schon geworden sind und die Rivalität gar nochmals verschärft. Das kann auch die restliche Welt schnell kräftig in Mitleidenschaft ziehen. Erneut droht ein Handelskrieg - und das ausgerechnet in einem Moment, in dem die Weltwirtschaft ohnehin schon abstürzt. Trump stellt den im Jänner abgeschlossen Deal, in dem sich China für eine verstärkte Abnahme von US-Waren verpflichtet hat, bereits in Frage.

Streit um Huawei verschärft sich erneut

Einen Vorgeschmack bot am Freitag schon der erneut aufgeflammte Streit um Huawei - wobei es hier auch um Sicherheitsinteressen geht. Das US-Handelsministerium erklärte, Chiphersteller dürften keine Halbleiter an den Smartphonehersteller liefern, sofern diese auf Software und Technologie aus den USA beruhten. China drohte daraufhin laut Medienberichten mit Maßnahmen gegen die US-Konzerne Apple, Cisco, Qualcomm und Boeing.

Es muss nicht dabei bleiben, dass die Wölfe mit den Falken kämpfen. Sowohl in China als auch in den USA gibt es Stimmen, die sich für einen gemäßigteren Ton aussprechen. Doch an einer Grundkonstellation wird sich - unabhängig von den Akteuren und dem Ausgang der US-Präsidentenwahl - voraussichtlich wenig ändern: Dass China mit seinem Aufstieg die USA herausfordert - und sich die USA dadurch herausgefordert sehen.