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US-Forscher setzen auf aktive Immunisierung

Von Froben Homburger

Wissen

Nach wie vor enden rund 50 Prozent aller Blutvergiftungen tödlich. Nach - vorsichtigen - Schätzungen sterben jedes Jahr immer noch weltweit rund 500.000 Menschen an Sepsis. In Österreich dürfte die Zahl in der Größenordnung von 15.000 liegen. Schwere Blutvergiftungen gehören zu den Haupttodesursachen nach großen Operationen. US-Wissenschafter verfolgen nun einen neuen Ansatz zur Bekämpfung des Endotoxischen Schocks: Sie wollen die Immunabwehr dazu bringen, von selbst jene Bakterienbestandteile zu töten, die im Organismus die panikartige Immunreaktion, den Kreislaufkollaps und letztlich das Multiorganversagen auslösen.


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Bei einem funktionierenden Immunsystem bekämpfen Lymphozyten die bakteriellen Eindringlinge. Giftige Abbauprodukte der Keime werden in den teilweise bohnengroßen Lymphknoten entsorgt. Ist das Immunsystem geschwächt oder nicht voll entwickelt, können die Erreger aber die Lymphgefäße selbst entzünden. Dies ist als roter Streifen auf der Haut sichtbar. Gelangen die Krankheitskeime direkt oder über die Lymphbahnen ins Blut, kommt es zur Blutvergiftung.

Die Keime können überall Eiterabszesse bilden. Die Abbauprodukte der Bakterien setzen zudem eine verhängnisvolle Gerinnungskaskade in Gang. Der Blutstrom verlangsamt sich, es bilden sich viele Blutgerinnsel, die die Gefäße verstopfen. Einzelne Organe werden nicht mehr ausreichend versorgt und können ausfallen. Irgendwann verfügt der Körper auch nicht mehr über genügend Gerinnungsfaktoren, so dass das Blut keine Wunden mehr schließen kann.

Wie die Gesellschaft Deutscher Chemiker in ihrer Zeitschrift "Angewandte Chemie" berichtet, gilt als unmittelbarer Auslöser der lebensgefährlichen Schockzustände Lipid A - ein Bestandteil der so genannten Endotoxine, die beim Absterben der Bakterien frei werden. Das große Dilemma: Um das Bakterienwachstum zu stoppen, müssen Antibiotika eingenommen werden. Andererseits setzt das Abtöten der Keime mit Hilfe der Antibiotika wiederum verstärkt die Endotoxine frei. Besonders problematisch ist, dass sich Lipid A als Kohlenhydrat nicht - wie viele andere Gifte - dadurch inaktivieren lässt, dass man einfach Antikörper von außen in den Organismus des Patienten gibt.

Als Lösungsmöglichkeit prüfen die amerikanischen Forscher nun den Weg der so genannten aktiven Immunisierung. Das Abwehrsystem des Patienten soll dazu angeregt werden, von selbst Antikörper gegen Lipid A herzustellen. Dazu muss es zunächst einmal überlistet werden: Die Forscher entwickelten ein künstliches, leicht verändertes Lipid A, das einen Stoff enthält, der die Bildung von Antikörpern erleichtert. Zugleich koppelten sie das neue Lipid an ein Protein, das als starkes Antigen bekannt ist, also besonders leicht die Bildung von Antikörpern gegen sich provoziert.

In Tierversuchen zeigte sich, dass auf diese Weise das Immunsystem tatsächlich dazu gebracht werden kann, Antikörper herzustellen, die nicht nur das künstliche, sondern auch das echte bakterielle Lipid A erkennen und außer Kraft setzen. Die Experten hoffen nun, dass auf dieser Basis eine wirksame Therapie enickelt werden kann.

Neues Medikament

Seit kurzem ist, nach den USA, auch in Europa ein neues Medikament zur Behandlung der schweren Sepsis zugelassen. Die Substanz Aktiviertes Protein C (Handelsname "Xigris") des internationalen Pharmakonzerns Eli Lilly senkt nach einer im März 2001 publizierten Untersuchung die Todesrate von Patienten mit schwerer Sepsis um 19,4 Prozent. AP