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US-Gesundheitsbranche mit neuem Entwurf zufrieden

Von Julie Hirschfeld Davis

Politik

Für die Industrie ist dieses Modell am wenigsten kostspielig. | Washington. (ap) Der jüngste Kompromissvorschlag zur heftig umstrittenen Gesundheitsreform in den USA lässt Krankenversicherer, Pharmafirmen und Großunternehmen aufatmen. Denn der vom demokratischen Vorsitzenden des Finanzausschusses im Senat, Max Baucus, vorgelegte Gesetzentwurf erscheint ihnen als das bisher kleinste von vielen Übeln, die derzeit diskutiert werden. Er wäre für sie im Vergleich weniger kostspielig und mit weniger Auflagen verbunden.


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Die meisten Vereinbarungen, die die Industrie mit der Regierung von Präsident Barack Obama und führenden Demokraten als Beitrag zur Finanzierung der Reform ausgehandelt hat, blieben in Baucus 856 Milliarden Dollar (584 Mrd. Euro) umfassenden Entwurf bestehen, einige wurden sogar abgemildert. Doch mit öffentlichen Freudenrufen halten sich die Branchenvertreter zurück, hoffen sie doch im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Kongress auf weitere Verbesserungen in ihrem Sinn.

Da ist zum einen die Versicherungsindustrie. Sie erhielte, unterstützt durch Steuergelder, Millionen neuer Kunden. Denn der Entwurf sieht vor, dass sich jedermann krankenversichern muss. Wer dies nicht tut, dem drohen hohe Strafen. Und anders als in den vier anderen Gesetzesvorlagen, die in diesem Jahr bereits eingebracht wurden, müssten die Privatversicherer nicht gegen eine staatliche Versicherung konkurrieren. Das von Baucus vorgeschlagene Genossenschaftsmodell dürfte kaum eine Gefahr für die private Versicherungsbranche darstellen.

Die Versicherer müssten auch mit weniger starken Kürzungen bei staatlichen Zahlungen für Privatpolicen im Rahmen von Medicare rechnen, der staatlich geförderten Krankenversicherung für Über-65-Jährige und Behinderte.

Im Gegenzug hatte die Branche bereits zugestimmt, Menschen mit schweren Erkrankungen nicht länger den Versicherungsschutz zu verweigern und einen Beitrag zum Übergang auf das neue System zu leisten. Gegen zwei weitere Aspekte, die ihre potenziellen Profite beschneiden würden, kämpfen sie noch an: Eine 35-prozentige Steuer auf hochpreisige Versicherungspolicen und 60 Milliarden Dollar an Gebühren.

Unter vier Augen erklären Lobbyisten, der Entwurf entspreche ihren Vorstellungen deutlich mehr als alle anderen, die bislang in der Diskussion sind. Kritiker bezeichnen den Vorschlag dagegen als wahrgewordenen Traum für Versicherer. Gewerkschaftsführer sind der Ansicht, dass die Vorlage zu viele Kompromisse enthält und Menschen zum Abschluss von Versicherungen zwingt, die sie sich nicht leisten können. Und das vorgeschlagene Genossenschaftsmodell werde scheitern und keinerlei Wettbewerb oder Kosteneinsparungen bringen.

Großunternehmen als weitere Betroffene kämen ohne den Zwang davon, ihren Beschäftigten eine Versicherung anbieten zu müssen. Für sie war dies die bitterste Pille der Obama-Reform. Und auch die Pharmahersteller atmen auf: Sie wollen laut einem Abkommen mit Obama und Baucus 80 Milliarden Dollar zur Finanzierung der Reform beitragen, und dieses Abkommen bleibt in dem Entwurf unangetastet. Andere zirkulierende Vorschläge würden sie zwingen, mehr Arzneikosten für ältere Menschen zu übernehmen. Dies käme sie deutlich teurer - bis zu 140 Milliarden Dollar.