Das M-4 ist für Kampf in den Bergen wenig geeignet. | Kabul. (apn) Technisch sind die Nato-Truppen den Taliban in Afghanistan haushoch überlegen. Doch ihre modernen Waffen erweisen sich in manchen Situationen als Achillesferse der westlichen Truppen. So haben US-Soldaten feststellen müssen, dass die eigentlich veralteten Gewehre der Taliban ihnen einen taktischen Vorteil verschaffen - sie haben eine höhere effektive Reichweite. Deshalb steht nun das M-4-Standardgewehr der US-Soldaten auf dem Prüfstand.
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Das M-4 ist eine Weiterentwicklung des M-16, das in den 1960er Jahren entsprechend den Anforderungen des Vietnamkriegs für den Kampf auf geringe Distanz entwickelt wurde. Im Irak, wo viele Gefechte in Städten ausgetragen wurden, hat es sich auch bewährt. Doch in den bergigen Regionen Afghanistans beschießen sich die Gegner meist aus größeren Entfernungen. Oft liegen Nato-Soldaten und Taliban 600 bis 800 Meter auseinander. Ab 300 Metern hat das 5,56-Millimeter-Geschoss des M4 aber nicht mehr genug Wucht, um einen Gegner zu töten. Afghanische Kämpfer haben viel Erfahrung damit, wie sich der taktische Vorteil größerer Waffenreichweite ausnutzen lässt. Schon im britisch-afghanischen Krieg von 1832 bis 1842 wussten die Afghanen diesen mit ihren großkalibrigen Jezzail-Flinten auszuspielen. Sie bezogen Positionen außerhalb der Reichweite der britischen Brown-Bess-Musketen und nahmen die Ausländer unter Feuer. Auch die sowjetischen Soldaten mussten in den 1980er Jahren feststellen, dass ihre AK-47 den Zweite-Weltkriegs-Repetiergewehren der Mujaheddin ab einer bestimmten Distanz unterlegen waren.
Um der Taktik der Taliban etwas entgegensetzen zu können, haben die US-Streitkräfte mittlerweile in jeder Kompanie neun Scharfschützen eingeteilt, wie US-Major Thomas Erhart erklärt, der für das Heer eine Studie zu diesem Thema erstellt hat.
Die Scharfschützen sind mit dem neuen M-110-Gewehr ausgerüstet, das 7,62- Millimeter-Patronen nutzt und auf mindestens 800 Meter zielgenau ist. Mit dieser Entwicklung stellt sich für die Militärs allerdings die Frage, womit den Soldaten im Feld besser gedient ist: Mit einem Gewehr, das kleinere Projektile mit einer hohen Kadenz verschießt, oder mit einem größerem Kaliber, das auf weite Distanzen zielgenauer ist? Noch zu Beginn des Vietnamkriegs nutzten auch die US-Streitkräfte großkalibrige Munition. Doch bei Dauerfeuer ließen sich die Waffen kaum kontrollieren. Mitte der 1960er Jahre wurde das alte M-14 durch das M-16 abgelöst. Das kleinere Kaliber hat vor allem zwei Vorteile: Durch den geringeren Rückstoß verzieht das Gewehr bei Dauerfeuer nicht so stark und durch das geringere Gewicht der Patronen können Soldaten mehr Munition mitführen.
Die kleineren Projektile seien "tödlicher, weil damit mehr Schüsse aufs Ziel abgegeben werden können", erläutert US-Oberst Douglas Tamilio vom Picatinni Arsenal in New Jersey. "Aber auf 500 bis 600 Meter Entfernung hat die Kugel kaum noch Durchschlagskraft. Ein Kaliber zwischen 7,62 und 5,56 Millimetern, das die besten Eigenschaften der beiden Gewehrformen vereint, wäre eine Lösung für dieses Problem, sagt Tamilio.