Mit der Pandemie verspielt die Trump-Administration den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. Bevor die Infektionszahlen rasant gestiegen sind, haben Republikaner ihre Aktienpakete verkauft. Kalifornien verhängt nun ein Ausgehverbot.
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Bevor es mit der Krise so richtig losging, galt es schnell noch die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Richard Burr, der republikanische Senator von North Carolina und mächtige Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Oberhaus, verlor keine Zeit.
Nachdem er Mitte Februar hinter verschlossenen Türen von Experten über das Ausmaß der bevorstehenden Coronavirus-Pandemie informiert worden war, stieß der 64-Jährige fast sein gesamtes persönliches Aktienportfolio ab. Weil dessen Volumen bei stattlichen 1,7 Millionen Dollar lag, brauchte es insgesamt 33 verschiedene Transaktionen, bis der Senator den Erlös über seine Konten verteilen konnte.
Gerade noch rechtzeitig: Eine Woche später fanden sich die US-Aktienmärkte in einer Abwärtsspirale wieder, deren Ende trotz punktueller Erholungsschübe mittelfristig nicht abzusehen ist. Journalisten der Plattform ProPublica deckten den Skandal auf: Denn was Burr tat, erfüllt mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatbestand des sogenannten "Insider Tradings", des Handels mit Aktien basierend auf nicht-öffentlichen Informationen.
Aber Burr war nicht der einzige Senator, der seine Position zum Zweck der persönlichen Profitmaximierung ausnutzte. Seine Parteifreundin Kelly Loeffler, die ihren Job als Senatorin von Georgia erst Anfang des Jahres angetreten war, begriff nicht minder schnell, wie zuträglich die öffentliche Gesundheitskrise der eigenen Geldbörse sein kann. Mit dem Wissen ihres Ehemanns Jeffrey Sprecher, seines Zeichens Vorsitzender der New Yorker Börse, stieß die 49-Jährige im Februar nicht nur bis zu 3,1 Millionen Dollar in Aktien ab, sondern investierte zeitgleich in Firmen, die sich auf Teleworking-Software spezialisiert haben und deren Wert in Zeiten der Corona-Krise eine steil steigende Umsatzkurve verspricht.
Das alles, während beide Senatoren die durch das Virus drohende Gefahr öffentlich herunterspielten. Loeffler im O-Ton: "Die Demokraten haben auf gefährliche Weise desinformiert, was die Vorbereitung unseres Landes angeht. Die Wahrheit ist: Donald Trump und seine Administration machen einen großartigen Job."
Implizierte Straflosigkeit
Rechtliche Konsequenzen für all das wird es angesichts der politischen Realitäten in den USA wahrscheinlich keine geben; dafür garantieren der Präsident und seine Freunde im Justizministerium und auf den Bänken des Supreme Court, die bisher bei jeder sich bietenden Gelegenheit klargemacht haben, dass Recht in den heutigen USA im Zweifel immer das ist, was der 73-jährige Ex-Reality-TV-Star gerade dafür hält. Aber selbst diese Leute können ihren Herrn diesmal nicht vor jener neuen Wirklichkeit schützen, die das Coronavirus Tag für Tag und landauf, landab schafft. In dieser Wirklichkeit jagt in den USA seit einer Woche eine neue Hiobsbotschaft die andere.
Gouverneure handeln
Wie drastisch sich die Lage binnen kürzester Zeit verschlimmert hat, belegen einerseits die absoluten Zahlen an Neuinfektionen, die am Donnerstag offiziell die 11.000er-Grenze überschritten. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, aber man ist heute weiterhin an jedem beliebigen Punkt zwischen New York und San Diego weit entfernt von flächendeckenden Tests. Mittelfristig droht eine Katastrophe. Bisher zählt man über 200 Tote.
Aufgrund des weitgehendes Sich-tot-Stellens der Trump-Administration werden die Bundesbehörden gelähmt. Die Gouverneure der Bundesstaaten sind damit weitgehend auf sich selber gestellt. In Los Angeles richtete sich am Donnerstag gegen fünf Uhr Nachmittag Bürgermeister Eric Garcetti direkt an die Einwohner und erklärte, dass nunmehr ab sofort eine "Stay-at-Home-Order" gelte: "Nur damit wir uns richtig verstehen: Das ist ein Befehl, keine Bitte." Kurz darauf gab Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom bekannt, dass ab Freitag Mitternacht eine solche für den gesamten Bundesstaat gelten wird.
Kalifornien zählt rund 40 Millionen Einwohner und stellt mit einem Brutto-Bundesstaats-Produkt von 3,1 Billionen Dollar die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt dar, noch vor Großbritannien, Deutschland oder Indien. Auf den Straßen von Los Angeles war von dem Ausgehverbot am Donnerstagabend noch wenig bis nichts zu spüren. Auf der West wie auf der East Side tummelten sich nach wie vor hunderttausende Menschen in den Supermärkten, Einkaufszentren, Parks, am Uni-Campus und in öffentlichen Sportplätzen, als ob nichts wäre.
Einzig der diese Woche rasant angestiegene Umsatz bei Toilettenpapier, Waffen und Marihuana deuten darauf hin, dass sich zumindest ein Teil der Kalifornier der Gefahr langsam aber sicher gewahr wird. Wie im Rest der USA scheint es auch hier allen voran zwei Gruppen zu geben, die das Coronavirus schlicht nicht ernst nehmen: die unter 30-Jährigen sowie die Mehrheit der Republikaner.
Was die Beurteilung des Risikos einer Ansteckung angeht, bestätigt jede neue Umfrage ein potenziell tödliches Gefälle.
Die Mehrheit der konservativen Wähler glaubt, dass die von dem Virus ausgehende Gefahr übertrieben und allein ein Produkt der Berichterstattung der liberalen Medien sei - ein Narrativ, das sie über Monate hinweg von Trump serviert bekamen. Die Mehrheit der Demokraten setzt hingegen ihre Hoffnung nicht aufs Weiße Haus, sondern auf den Kongress. Dort werden dieser Tage offen an Trump vorbei legislative Tatsachen wie direkte finanzielle Hilfen einkommensschwacher Familien, massive Subventionen und Steuererleichterungen für Konzerne sowie eine temporäre Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geschaffen. Alles in der Hoffnung, dass aus der bereits einsetzenden Rezession keine ausgewachsene Depression wird.
Richard Burr und Kelly Loeffler müssen sich darüber freilich keinen Kopf machen. Sie haben ebenso vorgesorgt wie ihre Kollegen und Parteifreunde Ron Johnson aus Wisconsin und James Inhofe aus Oklahoma. Wie zuletzt bekannt wurde, stießen auch diese republikanischen Senatoren im Februar noch schnell ihre Aktienpakete ab, nachdem sie von Experten über das potenzielle Ausmaß der nunmehrigen Pandemie gebrieft worden waren.
Über die Aktiengeschäfte der Familie Trump im Zeitraum Jänner bis Anfang März 2020 gibt es noch keine Erkenntnisse.