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US-Kongress billigt Gesetz für Koma-Patientin

Von Rainer Mayerhofer

Politik

In außerordentlichen Sondersitzungen des US-Senats und -Abgeordnetenhauses wurde in der Nacht zum Montag ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Entscheidung eines Richters in | Florida rückgängig gemacht werden soll, die seit 15 Jahren im Koma liegende Terri Schiavo nicht mehr länger künstlich zu ernähren. Präsident George W. Bush kehrte aus seinem Osterurlaub in Texas nach Washington zurück, um das eilig verabschiedete Gesetz zu unterzeichnen.


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Die damals 26-jährige Terri Schiavo hatte am 25. Februar 1990 offensichtlich als Folge einer Abmagerungskur in ihrem Haus in Florida einen Kollaps erlitten und liegt seither im Wachkoma.

1998 stellte ihr Mann Michael den Antrag, die künstliche Ernährung einzustellen, der zwei Jahre später von Richter George W. Greer bewilligt wurde. Am 24. April 2001 wurde die künstliche Ernährung Terri Schiavos erstmals eingestellt, zwei Tage später jedoch auf Gerichtsbeschluss wieder aufgenommen. Im Oktober dieses Jahres verfügte ein Berufungsgericht, dass die künstliche Ernährung bis auf weiteres fortgesetzt werden muss.

Im Jahr 2002 stellten drei Ärzte - zwei von Ehemann Michael und ein vom Gericht bestellter - in Gutachten fest, dass es für Terri Schiavo keine Hoffnung gebe, aus dem Koma zu erwachen, zwei von den Eltern Terris bestellte Ärzte behaupteten das Gegenteil.

Am 15. Oktober 2003 wurde daraufhin die künstliche Ernährung Terri Schiavos erneut eingestellt. Sechs Tage später beschloss die Regierung des Bundesstaates Florida ein Gesetz, das es Gouverneur Jeb Bush, dem Bruder des Präsidenten, ermöglichte, die Anordnung des Richters auf Einstellung der künstlichen Ernährung auszusetzen. Jeb Bush unterzeichnete eine entsprechende Anordnung zwei Stunden nach Verabschiedung des Gesetzes. Dieses Gesetz wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof Floridas im Jahr 2004 als verfassungswidrig aufgehoben. Einen Einspruch von Gouverneur Bush dagegen wies der Oberste Gerichtshof der USA am 24. Jänner dieses Jahres zurück.

Daraufhin wurde die künstliche Ernährung Terri Schiavos am 18. März erneut eingestellt. Der Oberste Gerichtshof der USA wies einen Eilantrag des Abgeordnetenhauses, der den Fall durch ein Bundesgericht behandelt sehen wollte zurück.

Nach der Unterzeichnung des vom Kongress verabschiedete Eilgesetzes durch Präsident George W. Bush wird nun damit gerechnet, dass Schiavos Eltern umgehend das Bundesgericht anrufen und dadurch die Entscheidung des Bezirksrichters außer Kraft gesetzt wird. Die Sonde würde diesen Annahmen zufolge in Erwartung des Urteils so rasch wie möglich wieder eingesetzt. Ohne die Sonde würde Schiavo binnen einer bis zwei Wochen sterben.

Schiavos Eltern und Geschwister reagierten mit Erleichterung auf die Entscheidung des Kongresses. Ihr Vater Bob Schindler sagte, die Familie habe die Patientin über die gute Nachricht informiert. "Sie wirkte sehr froh, und wir sind froh", betonte er. Ärzte bezweifeln jedoch, dass Schiavo ihre Umgebung überhaupt wahrnehmen kann.

Die Kongressentscheidung ist höchst umstritten: Kritiker sehen darin eine Verletzung der Gewaltenteilung zwischen Parlament und Justiz, Einmischung in richterliche Befugnisse sowie Verletzung der Familien-Privatsphäre.