Washington - Zwischenmenschliche Gefühle sind oft eine schwierige Angelegenheit, die kaum auf Fakten beruht. Genauso spielt es sich derzeit mit den Animositäten vieler Amerikaner gegenüber den Franzosen ab. Während eine ganze Reihe von Ländern ausdrücklich einer Fortsetzung der UNO-Waffeninspektionen gegenüber einem militärischen Angriff auf den Irak den Vorzug gibt, haben sich die Anhänger des Kriegskurses der US-Regierung voll auf Frankreich eingeschossen.
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Beim "French-Bashing" werden alte Vorurteile aufgewärmt und historische Ressentiments neu formuliert: "Ohne Franzosen in den Krieg zu ziehen ist so wie auf die Jagd zu gehen ohne ein Akkordeon", lautet einer der mehr oder weniger witzigen Sprüche. Oder: "Wie viele Franzosen braucht man um Paris zu verteidigen? Niemand weiß es, weil es wurde nie ausprobiert".
Weil die französische Regierung den USA in der Irak-Politik die Gefolgschaft verweigert, werden die französischen Soldaten als feige und untauglich dargestellt. Der Hauptvorwurf von empörten Amerikanern, der in Artikeln, Leserbriefen und Kommentaren zum Ausdruck kommt, ist jedoch historischer Natur: Ohne die USA würde Frankreich gar nicht existieren. Schließlich seien die Franzosen im Zweiten Weltkrieg ja durch die Amerikaner von den Nazis befreit worden.
Vor der französischen Botschaft in Washington DC versammelten sich vergangene Woche republikanisch gesinnte Studenten, um gegen die Irak-Politik von Jacques Chirac zu demonstrieren. "Willkommen am Boden einer Botschaft, der nur wegen den USA zu Frankreich gehört", sagte ein Student der American University. Noch drastischer formulierte es ein Anrufer in einer CNN-Talkshow: "Frankreich existiert nur, weil amerikanische Soldaten wie mein Vater im Kampf um Frankreichs Freiheit gestorben sind".
Seltsamerweise hat der angeblich historisch begründete Grimm auf die gegenüber den Befreiern "undankbaren" Franzosen die Skepsis gegenüber den Deutschen längst abgelöst. Laut einer Anfang Februar durchgeführten Gallup-Umfrage ist die Beliebtheit Frankreichs bei den Amerikanern stark gesunken: Nur mehr 59 Prozent der US-Bürger haben demnach eine positive Meinung über Frankreich. Deutschland, immerhin im Zweiten Weltkrieg unter dem Nazi-Regime Aggressor und eigentlicher Gegner der USA, gilt hingegen heute bei 71 Prozent der befragten Amerikaner als geschätztes Land.