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US-Kriegsstrategie setzt auf schnellen Fall Saddams

Von Gabriele Chwallek

Politik

Washington - Ziehen die USA gegen den Irak in den Krieg, dann werden sie eine Militärstrategie nach dem Motto "blitzschnell und entschlossen" verfolgen. So beschrieb es ein General im Pentagon, der den Einsatzplan mitgeschmiedet hat. Die Strategie "steht" im Großen und Ganzen seit September, wird aber stets auf notwendige Aktualisierungen hin überprüft.


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Sie stützt sich massiv auf die Annahme, dass sich das irakische Militär schon frühzeitig von Präsident Saddam Hussein abwenden und ihn damit zur Kapitulation zwingen wird. Ein Punkt, an dem sich Kritik entzündet: Nicht wenige Militärexperten, so der neue NATO-Oberbefehlshaber James Jones, halten dieses Szenario für eher unrealistisch und warnen vor zu großen Optimismus.

Blitzschnell und entschlossen - das heißt konkret: Die Amerikaner wollen so rasch wie möglich Saddams Schlüsseleinrichtungen zerstören und wichtige Positionen einnehmen, um den Präsidenten zu isolieren und sein Militär zu entmutigen. Die Hoffnungen gehen dahin, dass dadurch auch heftige Straßenkämpfe in Bagdad und Saddams Heimatstadt Tikrit vermieden werden können. Die USA befürchten nämlich, dass ihre technologischen Vorteile im Häuserdschungel verloren gehen und zudem viele irakische Zivilisten ums Leben kommen könnten. Bilder von toten Müttern und Kindern - das könnte die Meinung der Weltöffentlichkeit stark beeinflussen.

Bei aller Schnelligkeit und Wucht ihrer Schläge wollen die USA aus psychologischen Gründen auch versuchen, die Schäden an der zivilen Infrastruktur zu begrenzen. Man will die Bevölkerung nicht gegen die Amerikaner aufbringen - eine Lehre, die aus dem Anti-Terror-Krieg in Afghanistan gezogen wurde. Dort hatte sich auch herausgestellt, dass die USA nicht über genügend Präzisionswaffen und Aufklärungsdrohnen verfügen. Diese Lücken wurden durch Eilproduktionen mittlerweile geschlossen. Im Fall eines Irak-Krieges könnten sich die USA zum Beispiel nun auf Tausende hochmoderner satellitengeleiteter Bomben stützen.

250.000 amerikanische Soldaten und Truppen befreundeter Staaten sind für den Einsatz vorgesehen. Das ist weniger als die Hälfte der anti-irakischen Streitmacht, die im Golfkrieg 1991 operierte, aber immer noch eine höhere Zahl, als es viele Militärstrategen empfahlen. Sie befürworteten eine Afghanistan-ähnliche Aktion mit massiven Luftangriffen und gezielten Einsätzen von kleineren Spezialeinheiten am Boden. Am Ende setzte sich aber US-General Tommy Franks durch, der die Invasionstruppen befehligen würde und eine "facettenreiche" Kriegsführung will, wie er es selbst formulierte.

Nach Angaben eines amerikanischen Militäranalytikers ist auf jeden Fall mit schnellen US-Attacken von verschiedenen Seiten zu rechnen. Er ist sich mit anderen Experten einig, dass zunächst wahrscheinlich B-1- und B-2-Bomber Saddams Paläste, Luftabwehr-Stellungen, politisch wichtige Einrichtungen und Militärbasen angreifen würden. Diese Einsätze wären aber deutlich kürzer als die 43-tägigen Luftwaffen-Aktionen im Golfkrieg 1991. Als Nächstes würden den Experten zufolge schnelle Schläge am Boden vom Norden, Süden und Westen aus folgen. Ziele wären erneut Militärstützpunkte, Scud-Raketenstellungen, die Israel oder auch Jordanien bedrohen könnten, Flugfelder, Häfen und potenzielle Lagerstätten von chemischen und biologischen Waffen.

Im Norden würden US-Streitkräfte nach Meinung von Analytikern zugleich die Kurden-Gebiete abriegeln, um etwaigen türkischen Attacken gegen diese ethnische Gruppe vorzubeugen. Im Süden würden sich US-Marineinfanteristen mit britischen Truppen vereinigen, das Land besetzen und damit gegen Saddam gerichteten schiitischen Moslems die Möglichkeit geben, sich zu organisieren. Auch Saddams Republikaner-Garde und Spezialtruppen, die insgesamt rund 100.000 Mann umfassen, würden bereits in der Anfangsphase ins Visier genommen.