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Ungeachtet der lahmenden Konjunktur und zahlreicher Kündigungen in den USA durften sich viele Manager im vergangenen Jahr über kräftige Gehaltserhöhungen freuen: 2000 war in "eklatanter Weise" davon geprägt, dass die Geschäftsführungen großer Konzerne auf Kosten der Beschäftigten gut verdient und für Kündigungen "regelrecht belohnt" wurden. Das ergab eine US-Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde. Diese Tendenz scheint sich auch langsam in Österreich abzuzeichnen, meint Paul Kolm, Experte für Lohnsysteme in der Gewerkschaft für Privatangestellte (GPA) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
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Bei einem Vergleich von Gehaltsstrukturen fanden das US-Institut für Politikstudien und die Interessenvereinigung "Vereint für eine gerechte Wirtschaft" heraus, dass die Geschäftsführer von 52 in den USA ansässigen Konzernen, die in der ersten Jahreshälfte 2000 den Abbau von mindestens 1.000 Beschäftigten ankündigten, durchschnittlich um 80% mehr verdienten als ihre Kollegen von 365 Großunternehmen, die die Zeitschrift "Business Week" untersucht hatte. Die "Kündigungs-Spitzenreiter" erhielten demnach durchschnittlich 23,7 Mill. Dollar (26 Mill. Euro/358 Mill. Schilling) pro Jahr - einschließlich Bonuszahlungen und Aktienoptionen - während der Durchschnitt der 365 Topmanager insgesamt 13,1 Mill. Dollar (14,4 Mill. Euro) verdiente.
Diejenigen, die viele Mitarbeiter kündigten, erhielten im vergangenen Jahr eine Gehalts- und Bonuserhöhung von insgesamt fast 20%. Arbeiter mussten sich in den USA mit 3%, Angestellte mit 4% Erhöhung begnügen. Es sei besonders in einer Zeit wirtschaftlichen Abschwungs, in der viele Beschäftigte Angst um ihre Arbeitsplätze hätten, ärgerlich zu sehen, "wie sich die Kerle an der Spitze weich betten", erklärte Sarah Anderson, Direktorin des Programms für Weltwirtschaft am Washingtoner Institut für Politikstudien.
Auch hierzulande zunehmend Entlohung nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen
Auch in Österreich halten erfolgsorientierte Entgeltbestandteile langsam Einzug, erklärt Kolm. Da Österreich aber weniger börsenotierte Unternehmen aufweise als die USA, sei die Tendenz, die die US-Studie aufzeigt, hierzulande noch nicht so ausgeprägt. Konkrete Zahlen liegen für Österreich zwar nicht vor, jedoch gelte auch hier: Wo Rationalisierungsmaßnahmen - und dazu zählt auch Stellenabbau - den Aktienkurs eines Unternehmens hochtreiben, profitieren jene Manager, die die Umstrukturierungen durchsetzen. Es sei jedoch falsch, die Führungskräfte als "böse Menschen, die die Kündigungen aussprechen" hinzustellen, betont Kolm. Mittelfristig sieht der GPA-Experte dadurch aber die österreichische Unternehmenskultur beeinträchtigt.
Konkrete österreichische Beispiele oder Beschwerden liegen der Arbeiterkammer (AK) nach den Worten von Heinz Leitsmüller, Ökonom in der AK Wien, nicht vor. Er könne sich jedoch vorstellen, dass Stellenabbau in Zielvereinbarungen mit dem Management enthalten ist, die nicht öffentlich werden, sagt Leitsmüller. "Die Erfüllung der Zielvorgaben wird dann entlohnt", so der AK-Experte.
Die US-Studie fand auch eine große Diskrepanz zwischen den Gehältern von Frauen und Männern: Die 30 höchstbezahlten Frauen in den Konzernen erhielten 2000 durchschnittlich 8,7 Mill. Dollar, die 30 bestbezahlten Männer 112,9 Mill. Dollar. Und auch bei den Lohnsteigerungsraten fanden die Autoren der Studie keine Gerechtigkeit: Wäre der gesetzliche Mindestlohn in den USA, der 1990 bei 3,80 Dollar pro Stunde lag, im selben Maß gestiegen wie die Gehälter der Spitzenkräfte, müsste er jetzt 25,50 Dollar betragen. Er liegt aber nur bei 5,15 Dollar. Gleichzeitig stieg die Zahl der Kündigungen. Die Arbeitslosenquote soll in den USA im nächsten Jahr aufgrund der abgeschwächten Konkunkturdaten Expertenschätzungen zufolge auf 5,0% von derzeit 4,5% steigen. In der dritten Augustwoche ist die Zahl der Erstanträge auf Leistungen im Rahmen der US-Arbeitslosenversicherung saisonbereinigt um 8.000 auf 393.000 gestiegen.
Inzwischen wird aber vermehrt Kritik an den Spitzengehältern laut. Beim Insolvenzverfahren des Fahrradherstellers Schwinn/GT baten dessen Anwälte den zuständigen Richter in Denver, die Einzelheiten eines Bonusplans für Topmanager und Geschäftsführung im Umfang von 2 Mill. Dollar vertraulich zu behandeln. Die Zahlungen sollten nach Angaben der Anwälte verhindern, dass hoch qualifizierte Mitarbeiter abwandern. Der Richter bezweifelte aber, dass der Plan den normalen Arbeitern und Angestellten gegenüber gerecht sei und weigerte sich, Stillschweigen zu bewahren. "Das sind ganz schön heftige Bonuszahlungen", sagte Richter Sidney Brooks und verweigerte fürs erste seine Zustimmung.