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Iranophobie entzweit die Ölstaaten. Der Brandstifter wird nun zum Feuerwehrmann.
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Teheran. Der Schwerttanz von Donald Trump neulich in Riad hatte es in sich. Inmitten saudischer Scheichs hüpfte der US-Präsident unbeholfen von einem Bein aufs andere und fuchtelte dabei mit der Waffe herum. Die Bilder gingen um die Welt. Die Reaktionen waren zumeist Hohn und Spott, aber auch Angst vor einem, der sich nicht scheut sich lächerlich zu machen. Im Iran überwog Letzteres, denn Trump wollte damit einen entschlossenen Schulterschluss sunnitischer Staaten gegen den schiitischen Iran demonstrieren.
Das trumpsche Säbelrasseln hat jedoch zunächst einmal Katar getroffen. In der Hauptstadt Doha gibt es leere Regale und überfüllte Einkaufswagen in den Supermärkten. Über soziale Medien werden Tipps ausgetauscht, wo es was noch gibt. Besonders nachgefragt seien Milch, Eier, Reis und Trinkwasser, heißt es auf der "Doha News"-Webseite. Bilder zeigen auch leere Fleischtheken. Die Einwohner der Hauptstadt des 2,7 Millionen Menschen zählenden Emirats tätigen Hamsterkäufe. Das reichste Land der Welt, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung, schlüpft urplötzlich in das Verhalten eines Armutslandes.
Keine Flüge mehr
Der Grund dafür sind die US-Verbündeten Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Jemen, die ihre Beziehungen zum Nachbarn am Golf abgebrochen haben und Katar isolieren wollen. Sie werfen dem Golfkooperationsmitglied Unterstützung von Terrorgruppen vor. Gestern wurden die Flüge von und nach Doha in diese Länder eingestellt, die Botschafter ausgewiesen. Saudi-Arabien will gar alle Kataris binnen zwei Wochen aus dem Land verbannen. Der Landweg für Lebensmittellieferungen und andere Güter ist zu, die einzige Landgrenze zu Saudi-Arabien geschlossen.
Katar ist mächtig unter Druck. Eigentlich wollte US-Präsident Trump den Iran isolieren. In seiner Rede in Riad warf er dem Land Unterstützung des Terrorismus vor: "Der Iran finanziert, bewaffnet und bildet Terroristen, Söldner und andere extremistische Gruppen aus", sagte der Amerikaner. Dies gelte vom Libanon über den Irak bis hin zum Jemen. Dass jetzt die gleiche Rhetorik für den Boykott gegen Katar vonseiten Saudi-Arabiens verwendet wird, ist auf den ersten Blick wohl ein Versehen. Denn Emir Tamim bin Hamad al-Thani zeigte sich entspannt mit Donald Trump an der Seite im Vieraugengespräch beim Gipfel in Riad. Die USA unterhalten eine wichtige Militärbasis außerhalb von Doha, von wo aus der Einsatz im Irak 2003 befehligt und koordiniert wurde. Von daher ist Katar ein wichtiger Partner der Amerikaner, die jetzt um Schadensbegrenzung bemüht sind.
Auf den zweiten Blick allerdings hat der Schritt Saudi-Arabiens und der anderen ihm hörigen Staaten System. Der Wüstenstaat kämpft mit dem Iran um die Vorherrschaft in der Region und sieht Teheran als Hauptgegner. Bei seinem Besuch in Saudi-Arabien hat US-Präsident Trump den Standpunkt Riads gestützt: Der Iran ist der Feind, Saudi-Arabien ist die Ordnungsmacht am Golf. Trump versprach den Saudis Waffenlieferungen im Wert von über 110 Milliarden Euro - ein größtmögliches Zugeständnis an die Außen- und Sicherheitspolitik. Riad fühlt sich seitdem gestärkt. Nach dem Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, musste Katar einen Denkzettel erhalten. Das US-Präsidialamt teilte mit, der Präsident werde sich bemühen, die Lage zu deeskalieren. Die Vereinigten Staaten wollten keinen "dauerhaften Bruch" zwischen den Golf-Staaten, erklärte ein ranghoher Vertreter der Trump-Regierung. Sollten die Staaten des Golf-Kooperationsrates angesichts der Spannungen einen Sondergipfel anberaumen, werde ein US-Vertreter dazukommen, kündigte er an. "Wir wollen sie in die richtige Richtung bringen."
Zugleich bekräftigte die US-Regierung die Kritik an Katar. Viele Handlungen des Emirats seien "einigermaßen besorgniserregend", nicht nur in den Augen der anderen Staaten der Region, sondern auch aus Sicht der Vereinigten Staaten. Der Brandstifter wird zum Feuerwehrmann, sein rhetorischer Schuss gegen den Iran ging nach hinten los. Der Bruch unter den US-Verbündeten löste im Iran Schadenfreude aus. "Das war wohl der erste Riss in der Anti-Iran-Koalition und auch das erste Ergebnis des Schwerttanzes in Riad", twitterte Hamid Aboutalebi, Vizestabschef im Präsidialamt. Er sei verwundert, wie politisch "zerbrechlich die arabischen Staaten sein müssen, wenn ein kleines Emirat wie Katar für sie zu einer strategischen Gefahr wird".
Enge Beziehung zum Iran
Tatsächlich hat Katar vergleichsweise enge Beziehungen zum Iran. Hochrangige Vertreter beider Länder treffen sich regelmäßig, die wirtschaftlichen Verflechtungen sind eng, unter anderem teilen sich beide Staaten das größte Erdgasfeld der Erde. Zehntausende Iraner leben in Katar und gelten als gut integriert. Emir al-Thani gratulierte Hassan Rohani telefonisch zu seinem erneuten Sieg bei den Präsidentschaftswahlen und nannte das Land eine "islamische Macht".
Die Saudis schäumten vor Wut. Die Iraner nennen dieses Verhalten schlicht Iranopobie, die jeglicher Rationalität entbehre. In einem Kommentar der amtlichen Tageszeitung "Tehran Times" schreibt Sharmine Narwani: "Seit Jahren leben wir in Stellvertreterkriegen mit Saudi-Arabien. Jetzt, nach schmerzhaften Verlusten, scheint Riad für eine Konfrontation direkt mit uns zu mobilisieren."
Die kürzlich erfolgte Drohung des stellvertretenden saudischen Kronprinzen, Mohammed bin Salman, wurde von der iranischen Führung in Teheran sehr ernst genommen. "Wir warten nicht, bis eine Schlacht in Saudi-Arabien losbricht, sondern tun alles, dass dieser Kampf auf iranischem Territorium stattfindet." Darauf die Antwort des iranischen Verteidigungsministers, Hossein Dehgan: "Wenn die Saudis etwas Unbedachtes tun, werden wir nichts auf ihrem Boden unberührt lassen - außer den Heiligen Stätten Mekka und Medina." Der Krieg der Worte hat begonnen.