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"Bleibt stark, haltet durch" - so lautete die Botschaft von US-Präsident George W. Bush an die amerikanische Bevölkerung, nachdem neue schlechte Nachrichten aus dem Irak eingetroffen worden waren. 14 tote Marines an einem einzigen Tag, in ihrem gepanzerten Fahrzeug von einer Bombe zerrissen, bis Donnerstagabend 27 tote US-Soldaten in einer einzigen Woche.
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Wenn der Präsident sein Nein zu einem Zeitplan für einen Truppenabzug bekräftigte, weil dies den Aufständischen im Irak nur in die Hände spielen werde, hatten die Menschen in einer kleinen Stadt in Ohio dafür wenig offene Ohren. "Wie viele Opfer müssen wir noch bringen?" fragte Schullehrerin Nancy Chase und wischte sich Tränen aus den Augen. "Wir sind patriotische Menschen. Wir lieben unser Land. Aber wie viele Leben sind genug?"
Brook Park trauert. 20 der Soldaten, die seit Wochenanfang im Irak getötet wurden, gehören zum 3. Bataillon, dessen Hauptquartier in dieser Gemeinde hart arbeitender Menschen vor den Toren von Cleveland liegt. Während die Sommersonne die Straßen überflutet, bereitet sich die Bevölkerung auf Beerdigungen vor. Menschen brachten Blumen und handschriftliche Abschiedsgrüße zum Zaun, der das Quartier umgibt. "Von einer dankbaren Familie", hieß es in einem Schreiben, "Wir sind stolz auf euch", in einem anderen. Überall schmücken Fahnen die Vorgärten oder Schleifen in den Nationalfarben.
"Wir sind hier wie eine große Familie. Fast jeder kennt jeden", zitiert die "New York Times" eine 64-jährige Einwohnerin. "Und selbst wenn wir nicht alle der Toten persönlich kennen gelernt haben, haben wir das Gefühl, unseren Bruder verloren zu haben."
Ähnlich schildert Kevin Rush seine Gefühle. Er gehört zu einer Gruppe von Offizieren, die dazu ausgebildet sind, Familien über den Tod ihres Angehörigen zu informieren: "Du stehst an ihrer Türschwelle, und das Herz klopft dir bis zum Hals."
Inzwischen breitet sich die Sorge um im Irak eingesetzte Söhne und Töchter immer stärker aus. Von den rund 800 Mitgliedern des Bataillons, die Anfang des Jahres in den Irak geschickt wurden, haben immerhin 200 in Brook Park ihre Heimatbasis - oder hatten es, bis sie ihr Leben verloren. So manche Aufkleber auf Autos mit der Aufschrift "Unterstützt unsere Truppen" in der Stadt haben jetzt einen Zusatz: "Bringt sie heim."
Aber das wird zumindest vorerst nicht geschehen, wie Bush am Mittwoch in einer Rede vor Abgeordneten während seines Urlaubs erneut klar machte. Zwar mehren sich Berichte, nach denen das Pentagon einen Geheimplan entwickelt hat, der einen Teilabzug um 60.000 Soldaten bis Mitte 2006 vorsieht - vorausgesetzt, dass die Iraker den Zeitplan zur Erarbeitung einer Verfassung einhalten und damit das politische Umfeld geschaffen ist, den Irakern einen größeren Teil der Sicherheitsaufgaben zu übertragen. Aber das spendet den Trauernden in Ohio zur Zeit wenig Trost.
"Ich kannte ihre Gesichter", zitiert die "Los Angeles Times" die 39-jährige Niki Straubhaar. "Jeder war sich des Risikos bewusst. Aber es ist ein Unterschied, ob man es theoretisch versteht oder ob man direkt mit der Realität konfrontiert wird."
Das Militär will jetzt ein Spezialteam in die Stadt entsenden. Es soll den Menschen, vor allem den Angehörigen der Opfer, Trost und Mut zusprechen - und den Patriotismus wiederbeleben, der in diesen Tagen deutliche Einbrüche zeigt. dpa