Zum Hauptinhalt springen

US-Studie: Bei Frauen wirkt Stress meist länger nach

Von Dan Lewerenz, AP

Wissen

Ein Schokoriegel, eine Hand voll Chips, Cola oder ein Stück Kuchen - und schon lässt sich der Stress in Job oder Familie leichter ertragen. Essen gegen Stress ist ein längst bekanntes Muster. Dass diese Frust-Reaktion aber auch oft in Ruhephasen nach aufreibenden Situationen anhält, haben sich viele noch nicht so stark bewusst gemacht. Allerdings: Betroffen sind einer US-Studie zufolge fast ausschließlich Frauen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Viele Untersuchungen haben sich damit beschäftigt, was während Stresssituationen passiert", sagt Forschungsleiterin Laura Cousino Klein von der Penn-State-Universität in Pennsylvania. "Wir wollten wissen: Was geschieht, wenn der Stress vorbei ist?" Klein und ihre Kollegen setzten dazu die Teilnehmer ihrer Studie 25 Minuten unter Druck. Während die Probanden eine Reihe von Aufgaben erledigen mussten, wurden sie immer wieder von Bürogeräuschen unterbrochen: ein läutendes Telefon, Klappern der Computertastatur - allerdings auf dem Geräuschniveau eines Presslufthammers von 108 Dezibel.

Anschließend wurden die Teilnehmer für knapp eine Viertelstunde allein gelassen und bekamen zum Ausspannen eine Zeitschrift, etwas zu trinken und eine Auswahl an Snacks. Danach wurde ihre aktuelle Frustrationsgrenze in einer weiteren Aufgabe, einem undurchdringlichen Labyrinth, gemessen.

Insgesamt stellten die Forscher fest: Jene Frauen, die anhaltende Stressreaktionen zeigten, griffen am stärksten auf fettige Chips, Schokolade und Käsehappen zurück. Die anderen aßen weniger davon, bevorzugten Brezel oder fettarmes Popcorn. Überraschend war weiter der Befund, dass die männlichen Essvorlieben unabhängig vom Stressniveau konstant blieben.

Das könnte nach Ansicht Kleins mit einem unterschiedlichen Umgang der Geschlechter mit stressigen Situationen zusammenhängen, und William Kelley vom Green-Montain-College im US-Staat Vermont stimmt ihr zu. "Ich möchte vorsichtig mit der Formulierung sein, weil ich keine Debatte über Geschlechtsunterschiede auslösen möchte, aber die Männer, die ich kenne, haben eher die Einstellung 'Das war's, es ist vorbei, lass es uns abhaken und weitermachen', während Frauen eher die Verarbeitungszeit nach einem Ereignis zu schaffen macht."

Auch wer gut mit der Stresssituation selbst umgehe, sei vor langfristigen Wirkungen nicht gefeit, betont Klein. Während des Lärms, während der nervenaufreibenden Aufgabe, könnten sich die meisten anpassen. "Sie verrichten den Job, den sie erledigen müssen, und sie machen das auch recht gut", sagt Klein. "Aber es gibt einen psychologischen und mentalen Preis dafür", der sich später zeige. Ein Beispiel für spätere Reaktionen sind nach Ansicht Kleins abweichende Ess- und Trinkgewohnheiten am Wochenende.

Sport als Ausweg

"Der Körper hört nicht auf, sich gegen einen Stressor zu wehren, nur weil der Stressor nicht mehr da ist", stimmt Kelley seiner Kollegin zu. "Man verarbeitet ein Ereignis noch, lange nachdem es vorbei ist." Die in der Fachzeitschrift "Journal of Applied Social Psychology" veröffentlichten Befunde Kleins könnten ein neues Schlaglicht auf solche verzögerten Stressreaktionen werfen. Wer sich bewusst wird, dass er entsprechend mit Naschanfällen reagiert, sollte den Experten zufolge gezielter auf seine Essgewohnheiten nach einem anstrengenden Arbeitstag oder einem nervzehrenden Familienstreit achten. Damit ließen sich auch bewusst andere Auswege aus der Stresskrise öffnen, betont Christopher Still vom Geisinger-Medizinzentrum in Danville in Pennsylvania - zum Beispiel sportliche Betätigung.