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Und was wenn doch? Wenn Amerika die Welt wieder überrascht und entgegen sicher geglaubter Wetten John McCain der 44. Präsident der Vereinigten Staaten wird? Nicht, dass auch nur ein Experte noch sein Vermögen darauf wetten würde, doch das Gedankenspiel ist durchaus interessant. | Es bringt einen Faktor aufs Tapet, der während des gesamten Wahlkampfs teils verleugnet, teils schöngeredet wurde: Rassismus. Es lässt sich nur schwer abschätzen, wie viele Amerikaner erst in der Wahlzelle damit herausrücken werden, dass sie einem Schwarzen die Stimme verwehren.
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Eines gilt als gesichert: Nur wenige (Umfragen zufolge fünf Prozent der Wähler) geben zu, Obama wegen seiner Hautfarbe nicht wählen zu wollen (was an sich schon gar nicht so wenige sind). Unterm Strich sind es aber wahrscheinlich weit mehr und viele werden schließlich anders als angegeben abstimmen.
Österreicher kennen das umgekehrt als den Haider-Effekt, Franzosen als den LePen-Effekt. Auch in den USA gibt es dafür einen eigenen Namen: den Bradley-Effekt, benannt nach dem afro-amerikanischen Bürgermeister von Los Angeles, der vor den kalifornischen Gouverneurs-Wahlen 1982 in den Umfragen haushoch führte und dann doch verlor, weil viele sich nicht getraut hatten, offen zu erklären, einen Schwarzen nicht wählen zu wollen.
Sollte Obama trotz seiner guten Umfragewerte nicht gewinnen, fürchten Analysten, könnten auch auf der anderen Seite Ressentiments hochkochen. Rassenunruhen dürften dann vorprogrammiert sein, denn Minderheitsangehörige sähen in einer Niederlage des schwarzen Senators den Beleg für den Rassismus.
Dafür könnte ein McCain-Sieg auf der anderen Seite des Atlantik einen lehrreichen Effekt haben. Schon die Wiederwahl George W. Bushs wollten ja die meisten Europäer gar nicht wahr haben. Die Wahl McCains könnte manch einen begreifen lassen, dass man amerikanische Politik nicht an europäischen Maßstäben messen kann. Dass ein Auftritt vor hunderttausenden jubelnden Deutschen, wie ihn Obama vollzogen hat, kein entscheidender Bonus im amerikanischen Wahlkampf ist.
Schon Bushs Konkurrent John Kerry war für die Mehrheit der Europäer der ideale Kandidat: Er parlierte Französisch, hatte einen außenpolitischen Schwerpunkt und kam von seinen Ansätzen dem postmodernen Europa entgegen. (Auch er lag übrigens vor dem Urnengang in den Umfragen klar in Führung).
Das blendet aber aus, dass viele Amerikaner anfänglich mit der Regierung Bush durchaus zufrieden waren. Und dass erst mit einer sich abzeichnenden Niederlage im Irak und schließlich auch der Finanzkrise das Vertrauen in die Politik der Republikaner gesunken ist.