Zum Hauptinhalt springen

US-Wahlen 2020: In Donalds Schuhen

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Während Trump im Skandalsumpf versinkt, ist bei den Demokraten der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 2020 voll ausgebrochen. Die Palette reicht von Berufspolitikern über ambitionierte Quereinsteiger bis zu Self-Made-Milliardären.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Washington D.C. Was überraschte, war weniger die Tatsache an sich als der Zeitpunkt. Die erste Demokratin, die offiziell bekanntgab, es 2020 mit Donald Trump aufnehmen zu wollen, heißt Elizabeth Ann Warren. Am letzten Tag des Jahres gab die Senatorin von Massachusetts publik, dass sie in zwei Jahren Präsidentin der USA werden will. Zu diesem Zweck hat die 69-Jährige ein sogenanntes "Exploratory Committee" eingerichtet, was nichts anderes heißt, als dass sie ab sofort beginnt, Spenden und Aufmerksamkeit für ihren Wahlkampf zu keilen. Ihr erster Weg führt sie dieses Wochenende dorthin, wo es wehtut: Council Bluffs, Sioux City, Storm Lake, Des Moines. Kleinstädte in Iowa, wo seit 1972 die ersten Vorwahlen zur Kür des Präsidentschaftskandidaten der Demokraten stattfinden. Warum es ihre Partei im Mittleren Westen schmerzt, liegt, wie Donald Trumps Wahlsieg offenbarte, an der demografischen und strukturellen Beschaffenheit der Region. Nur wenige Bundesstaaten sind heute noch derart homogen wie der "Hawkeye State": Knapp über drei Millionen Einwohner, über 90 Prozent davon weiß.

Von der Lehrerin zur Senatorin

Als Einstimmung für ihre Landpartie veröffentlichte Warren ein Video, das ihre Verwurzelung im ruralen Amerika betont. Geboren und aufgewachsen in Oklahoma City in einer Zeit, in der Bildung noch sozialen Aufstieg garantierte, gelang es ihren Eltern trotz Schwierigkeiten, den Wert nämlicher ihren Kindern zu vermitteln. Nachdem Warrens Vater nach einem Herzinfarkt arbeitsunfähig war, brachte die Mutter die Familie mit einem Mindestlohn-Job durch. Tochter Elizabeth legte eine bemerkenswerte Karriere hin. Von der Mittelschullehrerin brachte sie es zur Professorin, die an den renommiertesten Universitäten des Landes (Harvard, UPenn) unterrichtete, und dann zur Senatorin. Als bleibendes Erbe ihrer politischen Karriere gilt schon jetzt das 2011 gegründete Consumer Protection Bureau (CPB), eine von der Bundesregierung eingerichtete Agentur für Konsumentenschutz.

Formal bringt Elizabeth Warren alles mit, was Präsidentschaftskandidaten bis vor gar nicht langer Zeit ausmachte: fachliche Qualifikationen, Erfahrung, Standvermögen, eine ordentliche Bilanz an Wahlsiegen. Doch im Zeitalter von Donald Trump zählt das alles so gut wie nichts mehr - weshalb die Nominierung der am linken Parteiflügel beheimateten Warren als alles andere als sicher gilt. Immerhin: Die Bekanntgabe ihrer Kandidatur hat den Bann insofern gebrochen, als sie sich damit einen Vorteil gegenüber ihren künftigen Gegnern in puncto medialer Aufmerksamkeit und der Erschließung potenzieller Geldquellen verschafft hat.

Wie groß dieser Vorteil ist, wird sich in den kommenden sechs Monaten weisen. Wer bis Mitte des Jahres nicht seinen Hut in den Ring geworfen, sprich die finanziellen und logistischen Grundlagen für eine Infrastruktur gelegt hat, die einen landesweiten Wahlkampf erlaubt, wird es schwer haben, bei den am 3. Februar 2020 stattfindenden Vorwahlen den ersten Schritt Richtung Oval Office zu gehen. Auch wenn mit Ausnahme Warrens noch kein Demokrat seinen Anspruch auf die Kandidatur öffentlich gemacht hat: In einigen Fällen scheint bereits festzustehen, mit wem sie es bei den parteiinternen Vorwahlen zu tun bekommen wird. Die Liste ist lang und umfasst alles, was die Demokratische Partei an Widersprüchen und Motivlagen in sich vereint - Alt gegen Jung, Arm gegen Reich, Etabliert gegen Neu, Fortschrittlich gegen Moderat.

Auch Ex-Mayor Bloomberg will

Da wären, vorläufig und ohne Gewähr: Robert Francis "Beto" O’Rourke, 46, jüngst im Rennen um einen der Senatssitze von Texas Amtsinhaber Ted Cruz nur knapp unterlegener Ex-Abgeordneter im Repräsentantenhaus, der sich rhetorisch progressiv gibt, politisch aber eher auf der moderaten bis konservativen Seite zuhause ist; Joe Biden, 76, Vizepräsident unter Barrack Obama und jahrzehntelanger Senator von Delaware; Bernie Sanders, 77, Senator von Vermont und nicht erst seit seinem Achtungserfolg bei den Vorwahlen gegen Hillary Clinton Bannerträger des linken Parteiflügels, obwohl er bis heute kein eingeschriebener Demokrat ist; Sherrod Brown, 66, Senator von Ohio und einer der letzten liberalen Repräsentanten im Oberhaus aus einem mehrheitlich konservativen Bundesstaat; Kamala Harris, 54, Senatorin von Kalifornien, die potenziell erste afroamerikanische Frau, die die Partei ins Rennen schickt; Cory Booker, 49, Senator von New Jersey mit besten Verbindungen zu den Parteifunktionären wie zur Wall Street; Amy Klobuchar, 58, Senatorin von Minnesota, ob ihres verbindlichen Tons und ihrer Popularität im Mittleren Westen nicht zum ersten Mal potenziell unterschätzt; Kirsten Gillibrand, 52, die als Senatorin von New York Hillary Clinton nachfolgte, sich seither aber von ihrer Mentorin distanzierte. Diese Liste umfasst nur die prominentesten Demokraten, die offen mit dem Gedanken spielen, 2020 gegen Trump anzutreten.

Zu ihnen gesellt sich noch einmal ein gutes Dutzend weniger bekannter, aber dennoch ambitionierter liberaler Politiker, von amtierenden Bürgermeistern (Eric Garcetti/Los Angeles, Pete Buttigieg/South Bend) über ehemalige (Mitch Landrieu/New Orleans, Julián Castro/San Antonio) bis zu Ex-Gouverneuren wie Terry McAuliffe (Virginia) oder John Hickenlooper (Colorado). Ganz zu schweigen von einer Handvoll Abgeordneter zum Repräsentantenhaus, die realistisch gesehen wenig Chancen haben, aber durch eine mögliche Kandidatur ihr landesweites Profil erhöhen wollen (Joe Kennedy III/Massachusetts, John Delaney/Maryland, Eric Swalwell/Kalifornien).

Und dann sind noch zwei Außenseiter, die zwar formal Mitglied der Partei sind, aber derart reich, dass sie glauben, sich nicht um deren Konventionen scheren zu müssen: Michael Bloomberg, 76, der einst als Republikaner Bürgermeister von New York City wurde, sich dann für unabhängig erklärte und neuerdings eingeschriebener Demokrat ist; und Tom Steyer, 61, der als Hedgefund-Manager zum Milliardär und wichtigen Geldgeber der Liberalen geworden ist. Beide haben mehrmals betont, einen etwaigen Wahlkampf locker aus der eigenen Tasche bezahlen zu können.

Was all diesen Leuten gemeinsam ist, ist die simple Kalkulation, dass es 2020 um ein vielfaches leichter sein wird, Trump zu schlagen. Laut allen einschlägigen Umfragen sind die Beliebtheitswerte des Präsidenten außerhalb der republikanischen Basis im Keller. Aber trotz vielversprechender Zeichen für den Stimmungswandel - siehe die Midterms, bei den die Demokraten 40 Sitze gewannen - könnte ihnen auch diesmal das Electoral College in die Quere kommen: das ebenso komplizierte wie antiquierte Wahlsystem, das den Republikanern einen systemimmanenten Vorteil verschafft.

Trump wird bereits persönlich

Bundesstaaten, die gemessen an ihrer Einwohnerzahl kaum einen Vorort von Los Angeles oder New York füllen und traditionell konservativ wählen, wird dabei das gleiche Gewicht eingeräumt wie den urbanen Zentren, den Hochburgen der Demokraten. Das Beispiel, das dieses Dilemma des US-Demokratiemodells am besten illustriert: Im Senat verfügt Wyoming mit seinen nicht einmal 600.000 Einwohnern und einem Bruttosozialprodukt, das unter dem Kameruns liegt, über die gleiche Anzahl von Vertretern wie Kalifornien - der mit knapp 40 Millionen Menschen fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Weil sich an den diesem System zugrunde liegenden Interessenslagen nicht rütteln lässt, war es 2000 möglich, dass George W. Bush gewann, obwohl er eine halbe Million weniger Stimmen bekommen hatte als Al Gore. 16 Jahre später unterlag Hillary Clinton mit mehr als drei Millionen Stimmen Vorsprung ihrem Kontrahenten Trump. Von der totalen Missachtung auch nur minimaler demokratischer Spielregeln, die die Konservativen seit der Wahl Obamas 2008 an den Tag legen (Stichwort Gerrymandering), ganz zu schweigen. Ebenfalls kaum zu unterschätzen ist, was die oder den Kandidaten im Wahlkampf erwartet. Einen vielsagenden Vorgeschmack gab Donald Trump nach der Erklärung Elizabeth Warrens, gegen ihn antreten zu wollen, persönlich. Auf die Frage, ob er glaube, dass sie ihn besiegen könne, antwortete der Präsident: "Ich weiß es nicht. Fragen Sie am besten ihren Psychiater."