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USA auf einer heiklen Gratwanderung

Von Georg Friesenbichler

Politik

Ägypten ist ein wichtiger Partner. | Israel fürchtet die Muslimbrüder. | Washington/Kairo/Wien. Der Schwenk kam schnell: Hatte US-Außenministerin Hillary Clinton der ägyptischen Regierung zunächst noch ihr Vertrauen ausgesprochen, klangen ihre Worte am nächsten Tag schon etwas kritischer: "Wir sind fest davon überzeugt, dass die ägyptische Regierung jetzt die große Chance hat, politische, wirtschaftliche und soziale Reformen einzuleiten, um auf die legitimen Bedürfnisse des ägyptischen Volkes zu reagieren."


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Ähnlich lauteten die Stellungnahmen von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und der EU-Außenpolitikbeauftragten Catherine Ashton, die darüber hinaus die Freilassung aller inhaftierten friedlichen Demonstranten forderte.

Umsturz unerwünscht

Die Dynamik der Ereignisse hat die internationale Politik offenkundig überrascht und sie zur Überzeugung gebracht, dass die Herrschaft von Ägyptens Präsident Hosni Mubarak doch nicht so stabil ist wie geglaubt. Dabei war die Stabilität dieses Landes lange Zeit die Leitlinie des Westens im Umgang mit dem seit 30 Jahren regierenden Mubarak. Vor allem die USA hatten ihn aus Sorge vor Umbrüchen in der ganzen Region zum engen Verbündeten gemacht.

Denn Mubarak hielt die heimischen Islamisten nieder, und zwar mittels Repression und der Förderung eines gemäßigten Islam. Und zudem erwies sich Ägypten immer wieder als Vermittler bei heiklen Nahost-Problemen, vor allem in der Palästinenser-Frage. Zwar blieben diese Moderationsversuche meist erfolglos, zumindest lebt man aber mit dem Nachbarn Israel seit dem Friedensvertrag 1979 in Ruhe zusammen. Versuche ägyptischer Islamisten, den palästinensischen Brüdern zu helfen, werden unterdrückt, und auf Druck der USA wird auch die Grenze zum Hamas-kontrollierten Gaza-Streifen schärfer überwacht.

In Israel selbst hält man sich mit Kommentaren zum Geschehen in Ägypten vorläufig zurück. Dramatischer wird die Lage beim nördlichen Nachbarn Libanon eingestuft, bei dem man nach der jüngsten Regierungskrise nun die radikal-islamistische Hisbollah an der Macht sieht. Israels Zeitungen bringen die ägyptische Revolte nicht als Top-Meldung. Dennoch hört man Befürchtungen, dass aus den nachbarlichen Turbulenzen die israelfeindliche Muslimbruderschaft erstarkt hervorgehen könnte.

Bei den Unruhen in Ägypten spielen die Islamisten bisher allerdings nur eine marginale Rolle, was den USA vorsichtige Kritik am Mubarak-Regime erleichtert. Solange aber nicht klar ist, wer in dem Ringen die Oberhand behält, fühlen sich die USA zu einer diplomatischen Gratwanderung gezwungen - umso mehr, als auch an einer anderen Front Ungemach droht. Im Jemen forderten Donnerstag zehntausende Demonstranten den Sturz von Präsident Ali Abdullah Saleh. Und der ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den Al-Kaida-Terror.