US-Präsident George W. Bush hat gegenüber China trotz seiner forschen Art zu guter Letzt doch noch den richtigen Ton getroffen. Diplomatisches Geschick werden die USA auch noch oft genug brauchen, denn der Konflikt mit China kann jederzeit wieder aufbrechen.
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US-Experten sind sich darin einig, dass geschickte Formulierungen im amerikanischen Brief an China beiden Seiten eine Lösung ohne Gesichtsverlust ermöglicht haben. Die Wendungen, auf die es ankommt, ließen sich ein wenig dehnen, so dass beide Seiten ihren Bevölkerungen geben konnten, was diese jeweils hören wollten. So hat in der ersten außenpolitischen Kraftprobe nach Bushs Vereidigung vor nicht einmal drei Monaten die Bereitschaft zum Kompromiss über die Neigung zur Konfrontation gesiegt. Der Mann des schnellen Wortes ist sich der Schwere seiner Verantwortung bewusst geworden. Außenminister Colin Powell, der Soldat, hatte allerdings als erster von "Bedauern" und "Trauer" über den Tod des chinesischen Piloten gesprochen und damit weit mehr Gespür für die Lage bewiesen als der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der als Hardliner gilt. Von einem Erfolg des Bush-Teams zu sprechen, scheint deshalb wohl etwas verfrüht.
Strategische Neuorientierung
Der Luftzwischenfall über dem Südchinesischen Meer hatte die neue US-Administration in einer Phase strategischer Umorientierung getroffen. Bush und Rumsfeld wollen Amerikas Engagement in der Welt einer Art Inventur unterziehen, die Streitkräfte zugleich schlanker und schlagkräftiger machen und das amerikanische Mutterland sowie seine Soldaten und Bürger überall in der Welt verstärkt gegen terroristische Bedrohungen schützen. Die Diplomatie wurde dabei vernachlässigt, so dass der gegenteilige Eindruck amerikanischen Hegemonialstrebens entstand. Der Militärpraktiker Powell scheint in dieser Phase der Neuorientierung in Bushs Umgebung der einzige gewesen zu sein, der die Wichtigkeit von Gesprächen und diplomatischen Beziehungen betonte. Denn die Welt blickt auf die Vereinigten Staaten, und gerade darin liegt deren Macht.
Blick nach Asien
China erwartete vom neuen republikanischen Präsidenten in der Taiwan-Frage und der Frage der US-Raketenabwehr von vorne herein nichts Gutes und suchte die Konfrontation. Auch weil sich die USA stärker Asien zuwenden wollen, sowohl, was den Handel, als auch, was die Sicherheitspolitik betrifft. Es ist zu bezweifeln, dass es zwischen China und den USA so bald zur Entspannung kommen wird.
Menschenrechtsfrage
In der Zeit der Clinton-Administration genoss Peking in der Frage der Menschenrechte einen in den USA umstrittenen Ausnahmestatus - aus handelspolitischen Überlegungen. Am Mittwoch haben die USA nun vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf eine Resolution gegen Menschenrechtsverstöße in der Volksrepublik China eingebracht.