Republikaner: Vietnam-Veteran als Hoffnung. | McCain nicht immer parteikonform. | Washington. Die Kongresswahlen in den USA vom 7. November liegen erst wenige Wochen zurück, doch für einige Politiker waren sie die erste Station einer viel größeren Wahlauseinandersetzung: das Rennen um das höchste Amt in Amerika, die Präsidentschaft. Nach der Niederlage im Kongress rüstet sich die republikanische Partei, um weitere vier Jahre das Weiße Haus und damit das Land zu regieren.
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Wer ins "Hanoi Hilton" kam, wusste, dass ihm die Hölle auf Erden drohte. Abgesehen von den grauenhaften hygienischen Bedingungen und dem ekelerregenden Essen fürchteten diejenigen, die während des Vietnamkrieges in diesen Gebäudekomplex überstellt wurden, vor allem eines: grausame und langwierige Folter. Als der US-Soldat John McCain am 26. Oktober 1967 ins "Hanoi Hilton", offiziell als Hoa Lo Gefängnis bekannt, eingeliefert wurde, war sein Zustand erbärmlich: beide Arme und ein Bein waren beim Absturz seines Fliegers gebrochen, ein Schulterblatt hatte ein vietnamesischer Soldat gleich b
eim Aufgriff zertrümmert. Das war erst der Anfang seiner Leidensgeschichte: McCain wurde täglich verhört und aufgefordert, ein Pamphlet mit anti-amerikanischer Propaganda zu unterschreiben. McCains Weigerung führte zu Folter, ein Teufelskreis, der fünfeinhalb Jahre dauerte. Als die Vietnamesen erfuhren, dass McCains Vater die amerikanischen Pazifiktruppen kommandierte, boten sie an, ihren prominenten Häftling zu entlassen. Doch John McCain lehnte aus Loyalität zu seinen Mithäftlingen ab. 1973 kehrte er schließlich, auf Krücken und mit mehr gebrochenen als heilen Knochen, nach Amerika zurück und wurde vom damaligen Präsident Richard Nixon persönlich in Empfang genommen und als Kriegsheld gefeiert.
70 Jahre und kein bisschen müde
Wird dieser Mann, der unsägliche Qualen durchlitten und dabei eine fast übermenschliche Charakterstärke bewiesen hat, der künftige Präsident der Vereinigten Staaten werden? Möglich ist es. John McCain, seit 1986 Senator von Arizona und eine der angesehensten politischen Persönlichkeiten des Landes, hat am 17. November zumindest den ersten formalen Schritt in diese Richtung gesetzt. Mit der Anmeldung eines so genannten "exploratory committees" - quasi der Kernzelle eines Wahlkampfteams - bei der US-Wahlbehörde signalisierte McCain, dass er mit seinen 70 Jahren nach wie vor einen ernstzunehmenden Kampfeswillen hat.
Es ist nicht das erste Mal, dass John McCain Ambitionen auf den Platz im Weißen Haus zeigt. Im Präsidentschaftswahlkampf 2004 legte der Kriegsveteran einen fulminanten Start im Vorwahlkampf ("Primaries") hin und besiegte im Bundesstaat New Hampshire seinen damaligen Rivalen George W. Bush haushoch. Doch Bush erwies sich in Folge als der stärkere Kandidat, der die Parteibasis der Republikaner mehrheitlich für sich gewinnen konnte.
In der Tradition Ronald Reagans
McCain sieht sich politisch in der Tradition Ronald Reagans - eine Symbolik, die in mehrfacher Hinsicht nützlich ist. Auch Ronald Reagan war nicht mehr der Jüngste, als er zum Präsidenten gewählt wurde (Reagan war damals 69 Jahre alt), und er gilt als derjenige, der eine einigende Wirkung auf das Land hatte und unbeugsamen Optimismus versprühte. Die polarisierende Amtszeit von George W. Bush hat die Sehnsucht der Amerikaner nach Harmonie verstärkt. Der Wunsch, das parteipolitische Hickhack der vergangenen Jahre endlich hinter sich zu lassen, ist allgemein spürbar. McCain hat als Senator bewiesen, auch mit den Demokraten gut zusammen zu arbeiten und kompromissfähig zu sein.
Eine Tugend, die dem Vater von sieben Kindern bei der republikanischen Basis allerdings schaden könnte. Auch wenn McCain außenpolitisch eher als "Falke" gilt, den Irak-Krieg uneingeschränkt unterstützt hat und sich derzeit mit der Forderung, die dortigen Truppen zu verstärken, allseits eher unbeliebt macht, gilt er keineswegs als Parteisoldat. Als es diesen Herbst beispielsweise um die umstrittene Gesetzesvorlage über die Verhörmethoden von Terrorismusverdächtigen ging, war McCain einer der prominenten Rädelsführer gegen seinen Parteifreund George W. Bush und forderte Änderungen im Sinne der international gültigen Menschenrechtsbestimmungen ein.
Ob es McCain gelingen wird, mit seiner nicht immer parteikonformen Politik die eigenen Parteifreunde in den Vorwahlkämpfen im Frühjahr 2008 zu überzeugen, bleibt offen. Seine Chancen gegen die mögliche Spitzenkandidatin der Demokraten, die Senatorin Hillary Clinton, sind jedenfalls intakt: Jüngste Umfragen bescheinigen McCain einen zarten Vorsprung von 48 zu 47 Prozent.