US-Arbeitslosigkeit drückt auf Konsum. | Nach Stresstests in Europa einigermaßen Ruhe eingekehrt. | Schwächelnde USA gefährden auch Aufschwung in EU. | Wien. Es geht um den guten Ruf, und dieser ist im konkreten Fall Milliarden wert: Seit Monaten tobt zwischen den USA und Europa ein erbittertes Match um das Vertrauen der Investoren an den Finanzmärkten. Diese sollen den hochverschuldeten Staaten schließlich Geld zu möglichst günstigen Zinsen leihen. Den USA droht in diesem Wettlauf nun ein herber Rückschlag.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
So gelten die Vereinigten Staaten gemeinhin als Vorreiter unter den entwickelten Volkswirtschaften, wenn es darum geht, Wachstum zu generieren. Zumindest im Moment hat hier jedoch Europa die Nase vorn: Laut Eurostat-Schnellschätzung konnten sowohl die EU als auch die Eurozone im zweiten Quartal ihr Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,0 Prozent steigern. Die US-Wirtschaft legte hingegen nur um 0,6 Prozent zu. Auf das Jahr hochgerechnet wachsen die USA somit nur noch um 2,4 statt - wie zuvor erwartet - um 3,7 Prozent. Während Deutschland mit einem BIP-Plus von 3,7 Prozent im Jahresvergleich Europa aus der Krise zerrt, regiert im Land der unbegrenzten Möglichkeiten der Katzenjammer.
Minus-Quartal möglich
Die Analysten von Raiffeisen rechnen zwar nicht mit einem nochmaligen Abgleiten der USA in eine echte Rezession. Im Winterhalbjahr dürften die Wachstumsraten jedoch "gefährlich nah an die Null-Prozent-Marke rutschen", hieß es in einer Aussendung von Freitag. Unter Umständen wäre auch ein Minus in einem Quartal nicht auszuschließen.
In den USA bröckelt die Hauptsäule des Wirtschaftssystems: Der Privatkonsum ist 2009 um 1,2 Prozent gesunken und hat - mit auf das Jahr hochgerechneten 1,9 Prozent - im ersten Quartal nur etwas mehr als halb so stark zugelegt, wie zunächst erwartet. Grund dafür ist die hohe Arbeitslosigkeit, die - anders als nach früheren tiefen Rezessionen - diesmal nicht rasch wieder zurückgeht, wie das britische Magazin "Economist" analysiert hat.
Europa profitiert indes vom Exportsektor, der nach der Krise wieder zulegen konnte. Seit den Banken-Stresstests Ende Juli hat sich auch die Debatte um mögliche Staatspleiten in der Eurozone merklich beruhigt. Allerdings erwarten Experten, dass - eben durch die dann sinkende Exportnachfrage - die Schwäche der USA bald auf Europa durchschlagen wird.
Ein Vergleich der BIP-Daten der vergangenen zehn Jahre (siehe Grafik) zeigt, dass sich USA und EU praktisch im Paarlauf entwickeln, wobei die EU Veränderungen etwas später, aber mit durchaus ähnlicher Intensität nachvollzieht. Den Ruf des Wachstumskaisers haben die USA offenbar noch aus den 90er Jahren herübergerettet.