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USA fordern Abgang der Generäle

Von Michael Schmölzer

Politik

Washington ruft Militärs auf, sich den Forderungen der Straße zu beugen.


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Kairo. Der internationale Druck auf den herrschenden ägyptischen Militärrat wächst. Die Vereinigten Staaten fordern die Generäle auf, die Macht so bald wie möglich an eine zivile Regierung zu übergeben. Dem legitimen Streben des ägyptischen Volkes müsse stattgegeben werden, ließ Washington am Freitag wissen. "Die Vereinigten Staaten sind ganz entschieden der Ansicht, dass die neue ägyptische Regierung sofort mit wirklicher Autorität ausgestattet werden muss", so das Präsidialamt. Auch die Europäische Union ist der Ansicht, dass der Militärrat so schnell wie möglich die Macht an eine zivile Regierung abgeben muss.

In Kairo eskalierten am Freitag die Proteste gegen den Militärrat: "Wir wollen ihn nicht, wir wollen ihn nicht", skandierte die Menge schon am Nachmittag. Gemeint war Kamal Ganzouri, jener Mann, den die Generäle zum neuen Premier ernannt haben. Der 81-Jährige ist kein Unbekannter, er war bereits einmal Regierungschef, diente von 1996 bis 1999 unter Präsident Hosni Mubarak, bevor er in Ungnade fiel. Manche sagen, er habe sich für zu weitgehende Reformen eingesetzt und sei von Mubarak sogar unter Hausarrest gestellt worden.

Der Militärrat zog Ganzouri aus dem Hut, um die aufgebrachte Menge auf dem Tahrir-Platz zu beruhigen. Der Versuch ist fehlgeschlagen. Den Demonstranten, die am Freitag zu tausenden auf den Tahrir-Platz strömten, ist die Mubarak-kritische Haltung des neuen Premiers egal. Für sie ist der Regierungschef ein Mann der alten Garde und nicht die Persönlichkeit, die den Weg in Richtung Zukunft bahnt. Eine große politische Karriere ist dem neuen Regierungschef ohnedies nicht beschieden, er wird nicht länger als ein paar Monate im Amt bleiben. Am Montag fällt der Startschuss für die Parlamentswahlen, dann soll eine neue Regierung gebildet werden.

Die Wut der Demonstranten richtet sich nicht in erster Linie gegen Ganzouri, sondern gegen die machtbewussten Militärs, die nach dem Sturz Hosni Mubaraks im Februar das Ruder übernommen haben. Aktivisten riefen einmal mehr zum "Marsch der Millionen" auf, unter dem Motto "Die letzte Chance" versammelten sich die Demonstranten im Zentrum von Kairo. Die Menge verlangte wie in den Tagen zuvor den sofortigen Rücktritt des Militärrats unter Marschall Hussein Tantawi. Durch einen einzigartigen Kraftakt soll der Sturz der Generäle erzwungen werden, genauso wie das schon im Februar geglückt ist, als Diktator Mubarak dem Druck der Straße weichen musste. Viele Ägypter können sich vorstellen, dass eine Art Ältestenrat die Militärführung ablöst, bis ein Präsident demokratisch gewählt wird. Unter den Demonstranten befand sich auch Mohammed ElBaradei, der frühere Chef der Atomenergiebehörde in Wien, dem Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden.

Die Armeeführung hat sich zuletzt zwar für die 41 Todesopfer, die die jüngsten Ausschreitungen gefordert haben, entschuldigt. Die Generäle sind aber weiterhin bestrebt, den Schwarzen Peter dem Innenministerium zuzuschieben. Immerhin seien es Polizeikräfte gewesen, die sich Straßenschlachten mit den Demonstranten lieferten, und nicht Armeesoldaten. Die Ägyptern nehmen dem Militärrat diese Argumentation nicht ab, denn die wirkliche Befehlsgewalt liegt bei den Generälen und nicht im Innenministerium, sagen sie.

Islamisten machen mobil

An den Protesten auf dem Tahrir-Platz waren am Freitag alle gesellschaftlich relevanten Kräfte beteiligt. Die islamistischen Muslimbrüder, die mit einem Sieg bei den Parlamentswahlen rechnen, starteten einen Protest-Umzug, die ägyptischen Gewerkschaften mobilisierten ihre Mitglieder und riefen zum Generalstreik auf. Die Islamisten stellten ihre Proteste unter das Motto "Rettet die Al-Aksa-Moschee". Auf der anderen Seite sammelten sich Befürworter des Militärrats im Kairoer Stadtteil Abbassiya, um ebenfalls einen "Marsch der Millionen" abzuhalten. Die Generäle ließen ausrichten, dass sie mit dieser Demonstration nichts zu tun hätten und diese auch nicht unterstützten. Die Regimegegner hatten sich bereits am Donnerstag verpflichtet, ihre Proteste auf den Tahrir-Platz zu beschränken, um Zusammenstöße zu vermeiden.

Von den Protesten überschattet sind die Parlamentswahlen, die am Montag starten und in mehreren Etappen über die Bühne gehen sollen. Am Montag wählen die Bürger in Teilen Kairos und Alexandrias, ein zweiter Wahlgang findet dort am 5. Dezember statt. Die Wahlen in dem Land mit mehr als 50 Millionen Stimmberechtigten werden sich über sieben Wochen hinziehen, erst dann werden auch die Mitglieder des neuen ägyptischen Oberhauses bestimmt sein.

Viele Analysten gehen davon aus, dass die Unruhen in Ägypten in den nächsten Wochen weiter eskalieren werden. Die Demonstranten sind davon überzeugt, dass nun die Entscheidung fällt, welche politische Rolle dem Militär künftig zukommen wird. Derzeit dominiert die Armee alle Bereiche. Der Militärrat hat seit Mubaraks Sturz politisch das Sagen, die Armee verfügt außerdem über ein Wirtschaftsimperium und hat längst einen Staat im Staat gebildet. Es wird befürchtet, dass die Unruhen viele Ägypter von der Wahl abhalten könnten. Damit würde das Votum an Legitimation verlieren.