Vizepräsident Biden, Finanzminister Geithner besuchen "Euro-Hotspots".
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Washington/Brüssel. Die USA haben das Vertrauen verloren, dass Europa seine Schuldenkrise alleine in den Griff bekommt - und mischen jetzt selbst an vorderster Front mit: Vizepräsident Joe Biden und Finanzminister Timothy Geithner touren durch die Brennpunkt-Länder der Eurozone. Darüber hinaus orchestrieren die US-Zentralbank Federal Reserve sowie der (amerikanisch dominierte) Währungsfonds (IWF) im Hintergrund die technischen Möglichkeiten, um notfalls Italien und Spanien gegen Finanzmarkt-Turbulenzen zu immunisieren.
Es ist ein scharfer Strategiewechsel: Bisher hatte US-Präsident Barack Obama sich darauf beschränkt, mit Telefondiplomatie und dramatischen Appellen Druck auf Europas Führungsriege zu machen. Jetzt regiert jenseits des Atlantiks die nackte Angst, dass die Euro-Probleme unkontrolliert weitereskalieren und das zarte Konjunktur-Pflänzchen, das jüngste US-Daten erkennen lassen, zertreten. Das kann Obama, der sich im anlaufenden Wahlkampf zum Urnengang 2012 für die Wirtschaftsentwicklung und die Arbeitslosigkeit rechtfertigen muss, am wenigsten brauchen.
Offenkundig hat das EU-Krisenmanagement die USA nicht überzeugt. "Wir stehen bereit zu helfen, wo wir können", sagte Joe Biden beim ersten offiziellen Besuch eines US-Vizepräsidenten in Griechenland seit mehr als 40 Jahren. Konkreter wurde Biden, der neben Premier Lucas Papademos und Staatspräsident Karolos Papoulias auch mit den Chefs der beiden Großparteien, Giorgos Papandreou und Antonis Samaras, sprechen wollte, nicht.
Einen noch breiteren Terminkalender arbeitet US-Finanzminister Timothy Geithner in Europa ab: Er wird heute, Dienstag, in Deutschland zu Gesprächen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, und Bundesbankchef Jens Weidmann erwartet.
Danach führt ihn sein Reiseplan zur zweiten tragenden Säule des europäischen Krisenmanagements, nach Frankreich, wo er mit Sarkozy und seinem französischen Amtskollegen Francois Baroin beraten will. Am Mittwoch sollen Gespräche mit Spaniens designiertem Ministerpräsidenten Mariano Rajoy anberaumt sein, am Donnerstag darf sich Italiens Ministerpräsident Mario Monti auf hilfreiche US-Tipps einstellen.
Fed war die treibende Kraft
Doch nicht nur auf politischer Ebene haben die USA ihre Europa-Engagement beträchtlich hochgefahren. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) war beim Zustandekommen der akkordierten Zentralbanken-Aktion in der Vorwoche, die kurzfristig für positive Stimmung auf den Märkten gesorgt hatte, die treibende Kraft.
Zudem soll der Internationale Währungsfonds, der bisher zu einem Drittel an den Hilfsprogrammen der Euro-Rettungsschirme beteiligt war, eine größere Rolle als bisher spielen. Die Rede ist von einem Sonderfonds, in den große Zentralbanken wie die Fed und die EZB einzahlen könnten.
"Was ich dazu sagen kann, ist, dass Zentralbanken inklusive der EZB Kredite an den Fonds vergeben dürfen", sagte IWF-Sprecher Gerry Rice vor wenigen Tagen. Er dementierte, dass darüber diskutiert wird. Laut Vertretern der Eurozone sollen aber Beträge von unter 100 bis mehrere hundert Milliarden Euro im Gespräch sein.
So könnte auch das EZB-Dilemma gelöst werden: Diese darf laut Statuten keine direkte Staatsfinanzierung betreiben, sondern kauft bisher nur auf dem Sekundärmarkt Anleihen von Euro-Krisenstaaten - und auch das sehr begrenzt. In der Vorwoche fielen die Käufe mit 3,7 Milliarden Euro noch geringer aus als sonst; seit Mai 2010 sind 207 Milliarden Euro zustande gekommen.
Kritik in IWF an Europahilfe
Eine zweite Option, um den IWF stärker zu involvieren, wäre, dass alle 187 Mitgliedsländer ihre Sonderziehungsrechte (eine IWF-Kunstwährung, basierend auf einem Währungskorb) aufstocken dürfen und somit die Größe der Darlehen, die einzelnen Ländern in Notsituationen erhalten können, entsprechend ansteigt.
Allerdings regt sich Widerstand aus den Schwellenländern, dass immer mehr IWF-Mittel für das reiche Europa zur Verfügung gestellt werden. Schließlich sind mit Griechenland, Portugal, Irland sowie den Nicht-Euroländern Rumänien und bald wohl auch wieder Ungarn die größten Kreditnehmer auf dem alten Kontinent. Früher nahmen fast nur Schwellenländer Zuflucht beim Fonds.