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USA greifen in Syrien ein

Von Michael Schmölzer

Politik

Die Frage ist: Wie weit wird das US-Engagement gehen?


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Washington/Damaskus/Moskau. Die "rote Linie", die Barack Obama vor fast einem Jahr im syrischen Bürgerkrieg gezogen hat, ist nun überschritten. Für den US-Präsidenten ist es zweifelsfrei erwiesen, dass das syrische Regime Giftgas, unter anderem das Nervengas Sarin, einsetzt. 100 bis 150 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.

Damit ist klar, dass Washington seine abwartende Haltung beendet und direkt in den Konflikt eingreift. In welchem Ausmaß, ist noch nicht absehbar. Sicher ist, dass die USA jetzt offiziell Waffen an die Rebellen schicken werden. Auch eine Flugverbotszone für Kampfjets der Armee könnte es geben, sagen ranghohe US-Diplomaten. Es ist vor allem die unumschränkte Lufthoheit der syrischen Armee, die den Rebellen überall im Land zu schaffen macht.

Die Freigabe von Waffenlieferungen hat sich in den letzten Wochen bereits abgezeichnet. Zunächst waren es die Briten, die traditionell engsten militärischen Verbündeten der USA, die in Brüssel das EU-Waffenembargo zu Fall brachten und den Weg für eine direkte Unterstützung der Rebellen freimachten. Noch wolle man damit aber warten, heißt es in London.

Wie Analysten gegenüber der "Wiener Zeitung" meinen, dürften sich die Hinweise auf Giftgaseinsatz zuletzt so gehäuft haben, dass die Verwendung der geächteten Waffen für die USA tatsächlich außer Zweifel ist. "Die Vorfälle haben sich konkretisiert", heißt es hier. Die Regierung Obama agierte bisher vorsichtig und war bemüht, den Fehler George W. Bushs nicht zu wiederholen. Der Republikaner ließ die US-Armee 2003 wegen der Existenz angeblicher Massenvernichtungswaffen in den Irak einmarschieren - um festzustellen, dass es derartige Waffen nicht gibt. Wahrscheinlich ist auch, dass die USA die Verhandlungsposition der Rebellen vor der für Juli geplanten Genf-II-Friedenskonferenz stärken wollen. Eine intern zerstrittene Opposition, die zuletzt schmerzhafte militärische Niederlagen einstecken musste, würde äußerst geschwächt am Konferenztisch auftauchen, heißt es. Auch sei man in Washington bestrebt, das Gleichgewicht zwischen Rebellen und Armee wiederherzustellen. Die syrische Armee wird laufend aus Moskau mit Kriegsgerät versorgt. Syrien-Kenner verweisen allerdings darauf, dass die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Kusair Anfang des Monats durch die syrische Armee in keiner Relation zu den Gebietsgewinnen stünde, die die Rebellen seit Dezember erreicht hätten.

Der Zugang zu Waffen wird als "sehr asymmetrisch" beschrieben, wobei die Rebellen zwar russische Waffen hätten, aber keine Munition mehr bekämen. Ob die USA den Rebellen tatsächlich mit schwerem Gerät - Panzerfäusten, Flugabwehrraketen - zu Hilfe kommen, wird stark bezweifelt. Die Rede ist vorläufig nur von Kleinwaffen. Damit wären die Rebellen dem syrischen Regime auch in Zukunft an Feuerkraft weit unterlegen. "Die Asymmetrie wird weiter extrem bestehen", so Syrien-Kenner. Es habe zuletzt die Gefahr bestanden, dass die Rebellen in Sachen Waffen "ausgetrocknet" würden. Nicht auszuschließen ist, dass Russland bei den Waffenlieferungen an die Assad-Truppen "weiter nachlegt" und es auf syrischem Boden zu einem Wettlauf der Rüstungsgüter kommt.

Friedenskonferenz nur ein

"theoretischer Bezugspunkt"

Vorderhand ist es für die USA kein Problem, den gemäßigten syrischen Rebellen Waffen zukommen zu lassen. Die Strukturen bestehen, Washington hat beste Kontakte zu den Assad-Gegnern; zuletzt war Ex-US-Präsidentschaftskandidat John McCain persönlich Gast bei den Rebellen. Verhindert werden soll unter allen Umständen, dass Islamisten in den Besitz von US-Waffen kommen. Da die einzelnen Rebellengruppen untereinander in Kämpfe verstrickt sind, ist das nicht auszuschließen.

Die Syrien-Friedenskonferenz, an der Washington und Moskau arbeiten und die im Juli stattfinden soll, ist derzeit ein "theoretischer Bezugspunkt", wie in in Diplomaten-Kreisen heißt. Noch werde über die Vorbedingungen einer solchen Konferenz gestritten: etwa, ob Assad bleiben soll oder weg muss.

Klar ist, dass der US-Präsident in Washington massiv unter Druck steht, in Syrien weit stärker als bisher aktiv zu werden. Obama sei für diesen Ansatz prinzipiell zugänglich, heißt es. Ein Einsatz von US-Bodentruppen ist trotzdem nicht denkbar. Die Feldzüge in Afghanistan und im Irak haben die Vereinigten Staaten kriegsmüde gemacht, die Lust auf ein weiteres militärisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang ist daher gering.