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USA : Handel um Defensivmedizin

Von Alexander U. Mathé

Politik

Präsident Obama überlegt Annäherung an Republikaner. | Washington. 210 Milliarden Dollar werden einer Studie von PriceWaterhouseCoopers zufolge in den USA jährlich für "defensive medicine" ausgegeben. Dabei handelt es sich um Untersuchungen und Behandlungen, die Ärzte in den USA primär deshalb durchführen, um mögliche spätere Schadenersatzklagen abzublocken. Nötig wird dies durch das amerikanische Arzthaftungsrecht. Schließlich kann eine verfehlte Diagnose eine Zig-Millionen-Dollar-Klage nach sich ziehen, in der sich der Arzt wegen eines Kunstfehlers verantworten muss.


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Im Streit um die von US-Präsident Barack Obama geplante Gesundheitsreform ist nun diese Defensivmedizin zu einem Handelspfand geworden. Obama hat in Aussicht gestellt, das von seiner demokratischen Partei traditionell verteidigte Arzthaftungsrecht ändern zu wollen und hofft, dass damit die Republikaner ihm in seinen Streben nach dem neuen Gesundheitssystem entgegenkommen.

Unter den Republikanern drängt man bereits seit langem auf die Reform des Arzthaftungsrechts. Sie führen ins Treffen, dass die Versicherungsbeiträge von Ärzten in manchen Fällen hunderte Tausend Dollar pro Jahr erreichen, die sie gegen teils schikanöse Klagen absichern. Während die Ärzte stets in der Sorge um eine Prozess leben, kann es der Kläger etwas entspannter angehen. Denn nach amerikanischem Recht muss er im Falle einer Prozessniederlage nicht die Anwaltskosten der Gegenpartei tragen, was die Klagfreudigkeit mitunter erhöht.

Die Demokraten wiederum fürchten, dass bei einer Beschränkung der Arzthaftung die Opfer von Kunstfehlern um eine angemessene Entschädigung gebracht werden. Mit eine Motivation dürften allerdings auch die spendablen Anwälte sein, die gegen die Forderungen der Republikaner Front machen.

Immerhin könnten sich die Demokraten zumindest damit trösten, dass eine Reduzierung der Untersuchungen zur Klagsverhinderung den Un- und Unterversicherten im Land zugute käme. Schließlich können sie durch überflüssige aber rechtfertigbare Untersuchungen schnell in den Ruin getrieben werden. Und genau sie sind ja schließlich die Kerngruppe, um die es bei Obamas Gesundheitsreform geht.

Um den Republikanern nun bei der Arzthaftung entgegenzukommen, will Obama 25 Millionen Dollar in Programme investieren, die in einigen Bundesstaaten eine Änderung des Rechts erproben sollen. Im Gespräch sind Fachausschüsse, die im Vorfeld abklären sollen, ob ein Fall überhaupt vor den Richter kommt, beziehungsweise eigene Gerichte die sich mit Kunstfehlern befassen. Gedeckelt sollen die Schadenersatzforderungen hingegen nicht werden. Dafür wäre der Widerstand der Anwälte zu groß.