In weiten Teilen Europas verboten. | Bio-Ethiker warnen vor Designer-Babys. | Los Angeles. (afp) Ein Mädchen und kein Bub! Für Melissa Vatkin und ihren Mann Shawn ist mit der Geburt ihrer Tochter ein Traum in Erfüllung gegangen. Dafür haben sie tausende Dollar bezahlt und sind zwei Jahre lang immer wieder von ihrer kanadischen Heimat in die USA gereist. Dort ist erlaubt, was im Nachbarland ebenso wie in weiten Teilen Europas verboten ist: Die Auswahl von Embryonen nach ihrem Geschlecht. Mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) sorgten die Ärzte des Steinberg-Instituts in Los Angeles dafür, dass die zwei Söhne und eine Tochter der Vatkins nicht noch einen Bruder bekamen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Geburt einer Tochter sei "wichtig für den Ausgleich unseres Familienlebens" gewesen, sagt Öl-Unternehmer Shawn. "Einen Ausgleich innerhalb der Familie schaffen" - das sei das meistgehörte Argument bei Familien, die zu ihm kommen, sagt Jeffrey Steinberg vom gleichnamigen Institut, der zu den Pionieren auf dem Gebiet der PID gehört. Meistens hätten die Paare schon vier oder fünf Kinder des selben Geschlechts und wollten um jeden Preis einen Gegenpart. Steinberg kann den Eltern eine 99-prozentige Sicherheit für ihr Wunschbaby geben - für umgerechnet 15.000 Euro. Mehr als die Hälfte von Steinbergs Kunden kommt aus dem Ausland, praktisch aus allen Staaten, in denen PID zur Selektion von Embryonen verboten ist. Dazu gehören Österreich und Deutschland ebenso wie Großbritannien, Thailand, Japan und China.
Genetische Oberklasse
Der eigentlichen Präimplantationsdiagnostik, die durch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms möglich wurde, geht eine Hormonbehandlung der Mutter zur Gewinnung mehrerer Eizellen voraus. Diese werden im Reagenzglas befruchtet. Eine DNA-Analyse ergibt, aus welchen Eizellen Buben und aus welchen Mädchen entstehen können. Nach der Auswahl des Geschlechts wird der Mutter das Ei eingepflanzt. Bioethiker warnen vor den Risiken eines solchen Vorgehens. Zum einen sehen sie die Gefahr eines demografischen Ungleichgewichts. Zum anderen fürchten sie, dass Eltern sich letztlich die körperlichen Merkmale ihres Kindes aussuchen könnten und damit das berüchtigte Designer-Baby Alltag würde. In Ländern wie Indien und China, wo Eltern Buben bevorzugen, gibt es schon jetzt einen Mangel an Mädchen, weil weibliche Föten abgetrieben werden. "In einigen Ländern hätte es spektakuläre Folgen, wenn Eltern das Geschlecht ihres Kindes aussuchen dürften", glaubt Bioethik-Professor David Magnus von der kalifornischen Stanford-Universität.
Allzu große Auswirkungen werden seiner Ansicht nach derzeit noch durch die hohen Kosten der PID begrenzt. Aber das Risiko bestehe, dass es eines Tages eine Kultur des perfekt geplanten Designer-Babys gebe. Magnus sieht damit die Gefahr einer Welt, "in der nur noch die Armen dick und glatzköpfig sind" und sich eine "genetische Ober- und Unterklasse" bilde.
An Steinberg prallen solche Argumente ab. Seiner Meinung nach ist eine Vorauswahl menschlicher als eine Abtreibung. Ein Ungleichgewicht bei der Geschlechts-Auswahl kann er auch nicht erkennen. So wollten Amerikaner lieber Mädchen, Inder und Chinesen lieber Buben. Und eine Bewegung in Richtung Designer-Baby kann Steinberg schon gar nicht ausmachen: Davor hätte man schon vor 25 Jahren bei der Geburt des ersten Reagenzglas-Babys gewarnt. "Aber da sind wir immer noch nicht."