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USA könnten in die Deflation sinken

Von WZ-Korrespondent John Dyer

Wirtschaft

Preise fallen auf breiter Front. | Neuwagen, Benzin, und Flugtickets in den USA billiger. | Boston. In den USA droht nach der Finanzkrise jetzt eine Deflation - die Preise für Waren und Dienstleistungen gehen auf breiter Front zurück. Der Verbraucherpreisindex ist in den USA im Oktober um einen Prozentpunkt gefallen. Dies ist der größte monatliche Rückgang seit 1938, als Deflation eines der Hauptsymptome der Großen Depression war.


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Gefährlicher Teufelskreis

"Wir erleben jetzt eine negative Rückwirkung der Probleme im Kreditsystem auf der einen und dem Rückgang der Wirtschaft auf der anderen Seite. Politiker auf der ganzen Welt versuchen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen", erklärt der Wirtschaftsexperte Ed Yardeni von Yardeni-Research in New York.

Auch James Bullard, ein ranghohes Mitglied der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), mahnt, nun müsse besonders auf die Gefahr einer Deflation geachtet werden - auch wenn diese derzeit noch gering sei.

Die Bedrohung durch die Deflation in den USA ist eine Folge des Austrocknens des Kreditmarktes und der Kaufzurückhaltung der Konsumenten. Das führt dazu, dass die Geschäfte ihre Preise senken, um Käufer anzulocken. In großem Stil führt das zu weiterem Rückgang der Wirtschaftstätigkeit. Wenn die Firmen Arbeitnehmer entlassen, um ihre Bilanz auszugleichen, können diese kein Geld mehr ausgeben.

Wachsende Arbeitslosigkeit, Rekord-Zwangsversteigerungen, fallende Immobilienpreise und die Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen, haben die amerikanischen Verbraucher dazu gebracht, ihre Ausgaben einzuschränken. Das Problem: Die US-Wirtschaft stützt sich zu zwei Dritteln auf den Konsum.

Die Deflationsangst wird auch geschürt, weil das 700 -Milliarden-Dollar-Paket zur Rettung des Finanzsystems die Banken nicht dazu gebracht hat, wieder Darlehen auszugeben, wie man es sich beim US-Schatzamt erhofft hatte.

Überall in der US-Wirtschaft sind Zeichen einer Deflation offenkundig. Der amerikanische Einzelhandel verzeichnete im vergangenen Monat einen Rückgang um fast drei Prozent, der höchste Verfall seit Beginn der Statistikaufzeichnungen, wie das US-Handelsministerium erklärte. Der Durchschnittspreis einer Gallone Benzin (3,78 Liter) liegt jetzt unter zwei Dollar - der Spitzenpreis lag im Juli bei 4,53 Dollar.

Der Verbraucherpreisindex des Arbeitsministeriums weist einen Rückgang der Neuwagenpreise um 0,5 Prozent aus, der Bekleidung um ein Prozent und der Flugtickets um fast fünf Prozent. "Wir bewegen uns in eine Situation, in der die Preise auf allen Gebieten fallen", sagt David Resler, Chefvolkswirt bei Nomura Securities in New York. "Das wird so weiter gehen. Die Deflation breitet sich über die gesamte Wirtschaft aus."

Regierungsvertreter haben angekündigt, alles tun zu wollen, um die Deflation zu stoppen. Sie verweisen auf die Erfahrung in Japan, wo in den 90er Jahren eine Deflationsspirale einsetzte, die die Wirtschaft schrumpfen ließ und den Verbrauchern ihre Kaufkraft raubte. "Eine Lektion, die ich aus der japanischen Erfahrung gelernt habe, ist, uns nicht überrollen zu lassen, aggressiv dagegen anzugehen", sagte der Vize-Chef der Notenbank Federal Reserve, Donald Kohn, am Mittwoch in Washington. "Wenn ich auch gedacht hatte, dass dieses Risiko vier oder fünf Monaten andauernd würde, so denke ich jetzt, es wird viel größer als gedacht, auch wenn es im Moment noch klein ist."

Japans verlorene Jahre

Selbst wenn die Deflation in Schranken gehalten werden kann, so ist es doch unwahrscheinlich, dass die allgemeine Rezession bald enden werde, sagten Beamte der Federal Reserve. Am Mittwoch wurde das Protokoll der Sitzung des Offenmarkt-Ausschusses der Fed vom 28 und 29. Oktober veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Fed von einem weiteren Schrumpfen der US-Wirtschaft bis Mitte 2009 ausgeht. Der Ausschuss hatte den Leitzins auf ein Prozent gesenkt und denkt an eine weitere Senkung im Dezember. Niedrigere Zinsen geben weniger Anreize zum Sparen.

2001 hatte die Bank von Japan damit begonnen, die Zinsen nahe bei Null zu halten, um die Deflation zu bekämpfen. Diese Politik brauchte fünf Jahre, um zum Erfolg zu führen.