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USA und China: Ein fein austariertes Ungleichgewicht

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Die Rhetorik der G20-Beschlüsse war mindestens ebenso hohl, wie die Stahlrohre im jüngsten Handelskrieg zwischen den USA und China: Sowohl in London als auch in Pittsburgh hatten die 20 größten Wirtschaftsnationen sich darauf verständigt, Protektionismus - also Handelshemmnisse und Strafzölle - ächten zu wollen.


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Und jetzt scheitern die hehren Ideale an Rohren, Autoreifen und Adipinsäure - letzteres eine Chemikalie, die für die Herstellung von Nylon und Medikamenten benötigt wird.

Starker Euro belastet

Der skurrile Streit um drei Erzeugnisse von nicht gerade epochaler Bedeutung zeigt, dass die Beziehungen zwischen den USA und China längst nicht so herzlich sind, wie die offiziellen Begegnungen suggerieren.

In der US-Filmkomödie "Ein seltsames Paar" stellen Walter Matthau und Jack Lemmon zwei Misanthropen dar, die einander fortwährend sekkieren, aber doch nicht ohne einander auskommen. Ähnlich lässt sich das Verhältnis zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten beschreiben.

Grund ist ein höchst ungesundes und zugleich fein austariertes Ungleichgewicht - eine Balance des Schreckens, fast wie in Zeiten des Kalten Krieges: Die USA haben im abgelaufenen Jahrzehnt weit über ihre Verhältnisse gelebt und durch Billig-Importe aus China neben einem enormen Handelsdefizit einen monumentalen Schuldenberg aufgetürmt. China hat dadurch Japan 2008 als größter US-Gläubiger abgelöst und sitzt auf US-Staatsanleihen in Höhe von rund 800 Milliarden Dollar.

Die Führung in Peking hält zudem die eigene Währung tief - wodurch die Exporte angefacht werden. Der Renminbi ist bisher faktisch an den Dollar gekoppelt. Alle Versuche der Amerikaner, China zur Aufwertung zu bewegen und damit zum Abbau der Ungleichgewichte beizutragen, waren bis dato auf taube Ohren gestoßen. Umso sensationeller ist die Ankündigung der chinesischen Notenbank, die Landeswährung künftig flexibler handhaben zu wollen.

China fürchtet nichts mehr, als dass sich die Amerikaner ihrer Schulden mittels hoher Inflation entledigen: Das würde die chinesischen Devisenreserven mitentwerten. Ähnlich verhält es sich mit einer großen Flucht in andere Währungen - auch diese würde dem Dollarkurs schaden.

Leidtragende der Währungsquerelen waren bisher nicht zuletzt die Europäer: Die ungewollte Kraftmeierei des Euro verteuert Exporte sowohl in den Dollar-Raum als auch nach Asien und droht damit den zarten Aufschwung zu ersticken.

Siehe auch:China deutet Währungsschwenk an