Seine Nation sei "in einem Krieg gegen islamische Faschisten", interpretierte George W. Bush die aufgedeckten Pläne, Passagierflugzeuge zu sprengen.
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Die Kriegserklärung erfolgte vor fast fünf Jahren, am 11. September 2001, mit den Anschlägen auf das World Trade Center. Osama bin Ladens Al-Kaida-Organisation erfreute damit jene Unterprivilegierten in der islamischen Welt, die ihre triste Situation dem Wirken der USA zuschreiben.
Der US-Präsident formte damals das Bild von einem "Kreuzzug" gegen Terroristen, was von Muslimen bis heute als Angriff gegen ihre Religion aufgefasst wird. Und er schritt zu Kriegstaten: Das Taliban-Regime in Afghanistan wurde ebenso gestürzt wie jenes von Saddam Hussein, auch wenn sich die Terrorverbindungen des irakischen Diktators als gefälscht erwiesen. Und zur Zeit führt der Verbündete Israel mit Unterstützung der USA Krieg gegen den Libanon.
Die Zahl militanter Islamisten ist dadurch nicht zurückgegangen, im Gegenteil: Etliche Anschläge rissen hunderte Menschen in den Tod, darunter auch in Europa. Und offenbar bedürfen sie dafür nicht unbedingt einer Führungsfigur wie Osama bin Laden.
Dennoch kommt Bush zur Schlussfolgerung: "Dieses Land ist sicherer als vor 9/11." Trotz der Freude über die vereitelte Verschwörung musste er aber hinzufügen: "Aber natürlich sind wir nicht vollkommen sicher." In der Tat: Wenn sogar harmlose Gegenstände wie Getränkeflaschen im Handgepäck zur Terrorwaffen werden, kann sich niemand sicher fühlen.
Verlorene Ehre
Viele Kommentatoren geben sich daher auch nur wenig beruhigt: Mit neuen Terroranschlägen sei jederzeit zu rechnen, weil den Attentätern die mörderischen Ideen nicht ausgehen. Und eben auch nicht die Rekrutierungsmöglichkeiten: Von Agitatoren, sei es von staatlicher (wie beim Iran) oder von religiöser Seite (durch Prediger und Koranschulen), wird der Kampf gegen den Terror zum Kampf des Westens gegen den Islam stilisiert. Selbst Karikaturen werden im Zuge dieser Auseinandersetzung als Demütigung empfunden.
Im Hintergrund steht ein Ehrbegriff, der gerade in islamischen Gesellschaften stark ausgeprägt ist. Und zur Wiederherstellung dieser Ehre darf oft auch Gewalt angewendet werden.
Womöglich hat diese psychologische Komponente ebenso bei den Amerikanern gewirkt, als sie sich zu ihrer heftigen Reaktion auf den 11. September entschlossen - auch wenn es falsch wäre, diese nur auf den erfolgten Ehrverlust zu reduzieren. Dann wäre Bush als Vertreter des Kreuzzugs dem Al-Kaida-Führer als Verfechter des Jihad in die Falle gegangen: Durch die gewaltsamen Maßnahmen gegen den Terror wird wieder neue Gewaltbereitschaft gezeugt.
Dabei wurden in der Geschichte wohl die meisten Kriege durch Verhandlungen beendet. Wo es klare Sieger gab, wurde entweder durch Diktate neues Konfliktpotenzial geschaffen - wie nach dem Ersten Weltkrieg - oder durch kluge Politik einstige Gegner zu Freunden gemacht, wie es die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Japan praktizierten.
Friedensstiftende Lösungen der zweiten Art sind derzeit nicht in Sicht. In Afghanistan, von den USA zugunsten des Irak-Krieges vernachlässigt, erheben wieder die Taliban ihr Haupt. Der Irak, in den man ohne große Pläne für die Zeit danach einzog, versinkt in einem unerklärten Bürgerkrieg. Israel glaubte, sich nach langer Besatzungszeit aus dem Gaza-Streifen zurück ziehen zu können, ohne sich um die hinterlassenen Palästinenser kümmern zu müssen. Ohne langfristige Konzepte hinterlässt die Anwendung militärischer Mittel mehr Fragen als Antworten.
Wahlkampfmunition
Als zu kurzsichtig wurde auch die US-Außenpolitik sogar im eigenen Land immer wieder gescholten. Die Aufdeckung der jüngsten Terrorpläne deutet Präsident Bush allerdings als Bestätigung des eingeschlagenen Weges und darf damit rechnen, dass die meisten Amerikaner - wie stets bei Bedrohungen von außen - ihm zustimmen.
Dies könnte seiner vom Irak-Krieg angeschlagenen Republikanischen Partei gerade recht kommen. Im November stehen Wahlen zu Senat und Abgeordnetenhaus an.