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USA und EU verkünden Sanktionen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Ukrainischer Premier richtet bei Sondergipfel Hilferuf an EU.


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Brüssel. Während die Europäer zuerst noch diskutierten, preschten die Amerikaner mit einer Ankündigung vor. In die Sondersitzung der EU-Staats- und Regierungschefs, die sich in Brüssel mit der Lage in der Ukraine beschäftigten, brachte eine Meldung aus Washington neue Dynamik. Die USA verhängten wegen der Krise in der Krim nun erste Sanktionen nicht nur gegen Ukrainer, sondern auch gegen Russen. Präsident Barack Obama habe Strafmaßnahmen gegen Personen und Einrichtungen angeordnet, die die USA für ein Untergraben der demokratischen Institutionen in der Ukraine für verantwortlich halten, hieß es. Ebenso bereite das Außenministerium Einreiseverbote vor. Die Maßnahmen sollen allerdings nicht gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin selbst gerichtet sein.

Schließlich zog auch die Europäische Union nach und beschloss - vorerst zarte - Sanktionen gegen Moskau: Der EU-Gipfel habe entschieden, Verhandlungen über Visa und über ein neues Abkommen mit Russland auszusetzen. Dies teilte Gipfelchef Herman Van Rompuy am Donnerstag Nachmittag mit. Gleichzeitig haben die EU-Regierungschefs klargemacht, dass sie sich kommende Woche erneut treffen könnten, um Einreiseverbote und Kontensperren folgen zu lassen. "Die Situation muss deeskalieren. Wenn Russland dies nicht tut, wird das ernsthafte Folgen für unsere bilaterale Beziehung haben", warnte Van Rompuy.

Gleichzeitig versucht die Union, der Ukraine finanzielle Anreize zu liefern. Nach der Ankündigung einer Hilfe in Höhe von bis zu elf Milliarden Euro, die sich aus Darlehen und Förderungen zusammensetzen würde, wird nun der Ruf nach Unterzeichnung eines umfassenden Handelsabkommens wieder laut. Dieses liegt seit Monaten auf dem Tisch, doch hatte sich Janukowitsch noch Ende des vergangenen Jahres geweigert, den Vertrag zu unterschreiben. Zu groß war der Gegendruck aus Moskau, dass Russland sich finanziell von Kiew abwenden könnte.

In Brüssel erklärte der Übergangs-Premier Arseni Jazenjuk jedoch, dass sein Land das Annäherungsabkommen so schnell wie möglich unterzeichnen sollte. "Wir glauben fest daran, dass die EU uns helfen will", sagte Jazenjuk nach der Begegnung mit den Staats- und Regierungschefs. Er unterstrich auch die Bereitschaft, Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds über die Bedingungen für internationale Kredite zu führen. Über Wirtschaftsbeziehungen würde Kiew auch gern mit dem Kreml reden, fügte Jazenjuk hinzu. "Doch stattdessen müssen wir über Krieg zwischen zwei sonst befreundeten Ländern sprechen."

Wirtschaftlich abhängig

Die Ukraine erwarte dennoch, dass die EU, die USA "und wahrscheinlich auch Russland" alles in ihrer Macht tun, um die Lage zu stabilisieren. Auf Unterstützung kann Kiew dabei besonders in osteuropäischen Ländern hoffen. So ist Polen schon lange einer der wichtigsten Fürsprecher der Ukraine und der östlichen Partnerschaft, mit der die EU sechs ehemalige Sowjetrepubliken näher an sich binden möchte. Warschau, das dem Nachbarn am liebsten die Mitgliedschaft in der EU in Aussicht stellen würde, pocht daher auch auf die Unterzeichnung des Handelsabkommens. Premierminister Donald Tusk sieht dies als "dringend" an.

Ginge es nach Polen, wäre die EU auch nicht so zögerlich bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland. Tschechien plädiert ebenfalls für eine schärfere Gangart. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnt zwar seit Tagen vor einer erneuten Spaltung Europas, die "unübersehbare Folgen" hätte. Dennoch hielt er eine Deeskalation der Lage bis vor kurzem noch für möglich.

Großbritannien würde sich mit Strafmaßnahmen ebenso gern zurückhalten - und das hat nicht zuletzt finanzielle Gründe. Die Briten machen sich Sorgen, dass beispielsweise die erwähnten Visa-Restriktionen oder das Einfrieren von Konten russische Geschäftsleute verärgern würden. Die investieren immerhin Beträge in Milliardenhöhe auf der Insel. Frankreich hat ebenfalls ökonomische Interessen: Es will ein Kriegsschiff an die russische Marine verkaufen.

Wirtschaftliche Sanktionen wären aber auch für andere EU-Staaten eine Herausforderung - selbst wenn sie auf Russland wohl größeren Eindruck machen würden als tadelnde Worte der Unionspolitiker. Die Europäische Union ist immerhin Moskaus wichtigster Handelspartner, aber umgekehrt ist Russland Europas wichtigster Energielieferant. Die Gemeinschaft bezieht von dort etwa ein Fünftel ihres gesamten Öls und deckt fast die Hälfte ihres Erdgasbedarfs ab.

Dieses Problem haben die USA wiederum nicht. Sie sind, selbst ein Förderland, weitgehend von Lieferungen aus Russland unabhängig. Und das russische Außenhandelsvolumen über den Atlantik hinweg macht lediglich knapp neun Prozent aus. Mehr als fünf Mal so viel wird mit der EU abgewickelt. Europäische Unternehmen investieren denn auch mehr als amerikanische in Russland. Die Forderung nach Wirtschaftssanktionen fällt den USA daher um einiges leichter.