Rohöl ist der strategische Rohstoff. Der Krieg im Irak werde die derzeit bestehenden Kräfteverhältnisse am internationalen Ölmarkt massiv verändern, ist sich die Nahostexpertin Karin Kneissl sicher. Denn in den USA gebe es Pläne, den Irak, sobald er als US-Protektorat beherrscht wird, aus der OPEC herauszulösen. Dieser Akt hätte "enorme symbolische Kraft" und würde den restlichen erdölfördernden Staaten zeigen, wer die Verhältnisse bestimmt. Die OPEC wäre dadurch in ihrer Preispolitik stark geschwächt, wenn nicht gar entmachtet.
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"Das Erdöl ist der wichtigste Grund für den Krieg, den die USA gegen den Irak führen." Karin Kneissl hält diese Erklärung, die auch von der Friedensbewegung angeführt wird, keineswegs für naiv. "Die Menschen, die weltweit gegen den Krieg protestieren spüren das." Die USA verfolgten handfeste Interessen: Einerseits jene am wichtigsten strategischen Rohstoff und andererseits daran, sich im Nahen Osten ein Machtzentrum zu errichten, das alle umgebenden Staaten kontrolliert.
Schon seit 1920 steht der Irak im geopolitischen Visier der Großmächte. Briten und Franzosen rangen um die Vorherrschaft über die arabischen Ölvorkommen. Jetzt sind es die Amerikaner. Auch die Türkei sei seit jeher am Irak-Öl interessiert und sehe nun eine günstige Gelegenheit, die Ölquellen im Norden einzunehmen. Für Kneissl ist es "der Fluch des schwarzen Goldes", der die Iraker verfolgt. Durch den Krieg würden aber auch Russen, Chinesen und der gesamte arabische Raum in die Schranken gewiesen.
Die russisch-amerikanische Energiepartnerschaft steckt damit in der Krise. Denn sollten die US-Pläne von einem Militärprotektorat im Irak wahr werden, gibt es laut Kneissl zwei Möglichkeiten: Entweder der Irak, einst Gründungsmitglied der OPEC, wird aus dieser herausgelöst, oder die USA bestimmen in der Organisation über den Ölpreis mit. In beiden Fällen würde der Preis stark sinken, Kneissl schätzt auf 18 USD pro Barrel. An einem starken Absacken auf weniger denn 20 USD habe die Russische Föderation als gewichtiger Erdölexporteur aber kein Interesse. Auch für Frankreich hätte ein Protektorat von US-Gnaden unangenehme Auswirkungen. So vereinbarte Russland 1997 mit Bagdad Ölquellen in West Qurna, Rumaila und Majnoon 23 Jahre lang ausbeuten zu dürfen. Die UNO-Sanktionen machten dies jedoch unmöglich. Der französische Ölriese TotalFinaElf wiederum verhandelte mit den Russen über die Rechte für Majnoon. Diese werden nun aber wohl eher an US-Firmen vergeben.
Gleichzeitig signalisiere die Supermacht ihrem Partner Saudi Arabien: Wir wachen darüber, was und wen ihr mit euren Petro-Dollars finanziert. Aus dem Blick der Öffentlichkeit ist das OPEC-Mitlgied Venezuela geraten. Hier bahnt sich für den Direktor des International Institute for Peace, Peter Stania, ein weiterer Konflikt an. "Nach dem Irak-Krieg sind auch US-Militärinterventionen in Lateinamerika, allen voran in Venezuela vorstellbar."