USA verlangen Entgegenkommen. | Israel erteilt Baustopp klare Absage. | Jerusalem/Wien. Die Missstimmung zwischen Israel und den USA hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Aus Verärgerung über die geplante Erweiterung jüdischer Siedlungen in Ostjerusalem ließ US-Sondergesandter George Mitchell am Dienstag ein Treffen mit der israelischen Führung platzen. Die Nahost-Reise sei bis auf weiteres verschoben, ließ das State Department die israelische Regierung wissen. Wann sie nachgeholt wird, blieb zunächst offen. Washington schloss nicht aus, dass Mitchell am Freitag gleich direkt zu den Nahost-Friedensberatungen des Nahost-Quartetts (USA, Russland, UNO, EU) nach Moskau fliegen wird.
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Mit der Absage des Israel-Besuchs liegen auch die indirekten israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen - die sogenannten "Proximity talks" - auf Eis, die unter Mitchells Vermittlung beginnen sollten. Die US-Regierung knüpfte diese Gespräche nun an Zugeständnisse Israels. Vor allem soll Israel seine Bautätigkeit in den 1967 besetzten und später annektierten Palästinensergebieten, allen voran in Ostjerusalem, aussetzen.
"Wir brauchen Garantien, dass solche Dinge nicht noch einmal passieren", zitierte die israelische Zeitung "Haaretz" einen hochrangigen Mitarbeiter der US-Regierung, der anonym bleiben wollte. Er spielte auf Israels Ankündigung von vergangener Woche an, wonach in der Ostjerusalemer Siedlung Ramat Shlomo 1600 neuen Wohneinheiten für orthodoxe jüdische Siedler errichtet werden sollen. Dies widerspricht dem Völkerrecht, das die Transferierung der eigenen Bevölkerung in besetztes Territorium untersagt, und hatte zur diplomatischen Verstimmung zwischen Washington und Israel geführt. Washington fühlte sich damals umso mehr brüskiert, als die Ankündigung just während des Israel-Besuchs von Vizepräsident Joe Biden erfolgte.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu erteilte der US-Forderung nach einem Siedlungsstopp in Ostjerusalem umgehend eine Absage. In den vergangenen 40 Jahren habe keine israelische Regierung die Bautätigkeit in der Umgebung von Jerusalem eingeschränkt, begründete der rechtsgerichtete Likud-Politiker sein Njet. Zu dem Zeitpunkt sollte Mitchell gerade das Flugzeug nach Jerusalem besteigen.
"Teil von Israel"
"Wir wollen sicherstellen, dass Mitchell, wenn er in den Nahen Osten reist, auch tatsächlich Fortschritte erzielen kann", begründete der Sprecher des US-Außenministeriums, P. J. Crowley, daraufhin die Absage von dessen Reise. Dazu verlangt Washington neben dem Siedlungsstopp in Ostjerusalem nun auch weitere klare Zusagen. Gemäß dem Forderungskatalog, den US-Außenministerin Hillary Clinton Netanyahu am Montag vorgelegt hatte, beharren die USA auch darauf, dass bei den "Proximity talks" nicht nur technische Fragen, wie von Israel gewünscht, sondern auch Kernpunkte des Nahost-Konflikts auf die Tagesordnung gesetzt werden - neben den Grenzen des künftigen Palästinenserstaates vor allem der Status von Jerusalem, dessen Ostteil Israel 1967 besetzt und später annektiert hatte.
Die Palästinenser wollen den östlichen Stadtteil zur Hauptstadt ihres künftigen Staates machen, die israelische Regierung beansprucht hingegen ganz Jerusalem für sich. "Wir lassen uns nicht diktieren, ob wir Wohnungen in Jerusalem bauen dürfen. Denn Jerusalem bleibt die nationale und religiöse Hauptstadt des jüdischen Volkes", erklärte der israelische Botschafter in Wien, Aviv Shir-On, der "Wiener Zeitung". Dies sei schon "lange, bevor es die USA oder die Palästinenser gab", so gewesen. Diese Tatsache müssten die Palästinenser akzeptieren.
Vorbedingungen für Verhandlungen wie einen Baustopp lehne Israel ab. Zudem erfolge der Ausbau nicht in der Altstadt von Ostjerusalem, sondern in Stadtteilen, von denen die Palästinenser wüssten, "dass sie in künftigen Abkommen zu Israel gehören werden". Den Zeitpunkt der Verkündung des Ausbaus hält Shir-On allerdings für nicht sehr glücklich gewählt, die Reaktionen darauf für übertrieben.
Die geteilte Stadt
Die Ankündigung Israels, in Ostjerusalem 1600 Wohnungen zu bauen, hat zu diplomatischen Verstimmungen mit der US-Regierung geführt. In dem von Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzten und später annektierten Ostteil der Stadt leben 270.000 Palästinenser. Inzwischen haben sich nach Behördenangaben rund 200.000 Israelis in etwa zehn jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem niedergelassen.
Die internationale Gemeinschaft hat die Annexion Ostjerusalems nie anerkannt und betrachtet die jüdischen Siedlungen als illegal. Weil die Palästinenser den arabisch bevölkerten Ostteil Jerusalems zur Hauptstadt ihres erhofften eigenen Staates machen wollen, sind die jüdischen Siedlungen dort ein Hauptstreitpunkt im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Im Juli 1980 verabschiedete das israelische Parlament, die Knesset, ein Gesetz, in dem ganz Jerusalem einschließlich des besetzten Ostteils zur "ewigen und unteilbaren Hauptstadt" Israels erklärt wird.
Nach der Annexion Ostjerusalems erweiterte Israel die Stadtgrenzen, ab 1968 begannen die israelischen Regierungen nach und nach mit der Errichtung jüdischer Siedlungen in Ostjerusalem.
Die älteste Siedlung ist Giwat Shapira, auch French Hill genannt, mit 7000 Einwohnern. Die größte Ramot Allon, errichtet 1974, mit 47.000 Bewohnern, die jüngste Har Homa, errichtet 1997, mit 10.000 Menschen.