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Wien - Wenn US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld dieser Tage in den Frontstaat Usbekistan reist, kommt er in ein strukturschwaches Land mit großen sozialen Spannungen. Wenn es der laizistischen Regierung nicht gelingt, den versprochenen Wohlstand zu schaffen, wird sie sich noch mehr als bisher auf die Bekämpfung islamistischer Rebellen verlegen müssen. Rund 8.000 Islamisten sitzen in Gefängnissen ein, eine Rebellenarmee operiert vom benachbarten Tadschikistan aus. Rumsfeld wird über Truppenstationierungen verhandeln.
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"Wir haben vor dem Terrorismus gewarnt", sagte der usbekische Außenhandelsminister Elyar Ganiew am Dienstag im Wiener Kreisky-Forum. Bereits 1995 habe Präsident Islam Karimow die UNO zu einem Waffenembargo gegen Afghanistan aufgefordert, so der Minister bei einem Vortrag über 10 Jahre Unabhängigkeit Usbekistans. Auch EU-Vertreter seien vor der enormen Gefahr, die von Afghanistan ausging, gewarnt worden. In der Tat versuchten die Taliban seit ihrem Siegeszug in Afghanistan auch die nördlichen Nachbarstaaten zu infiltrieren. Mit dementsprechender Härte reagierte Karimov. Um die Bildung islamistischer Gruppen im Keim zu ersticken, etablierte er einen Laizismus, der die Ausübung der Religion aufs strengste reglementiert.
Repressiver Laizismus
Während Tausende wirkliche und vermeintliche Fundamentalisten wegen "religiöser Delikte" in usbekischen Gefängnissen sitzen, in denen laut Menschenrechtsorganisationen auch gefoltert wird, hat sich im Untergrund eine Guerilla - die Islamische Bewegung Usbekistans - gebildet. Sie beantwortet Karimows restriktive Religionspolitik seit 1999 mit Sprengstoffanschlägen. Ihre Hochburg ist das überbevölkerte Ferganatal im ebenfalls armen Tadschikistan.
Strukturwandel notwendig
Die rohstoffreiche und fruchtbare Region wurde in Sowjetzeiten vor allem auf den Baumwollanbau und Bergbau reduziert. Verarbeitung und Raffination von Baumwolle, Erzen und Öl lag in anderen Sowjetrepubliken. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schlitterte auch Zentralasien in die Krise. Seither wird versucht, im Land eine verarbeitende Industrie aufzubauen, die auch weltmarkttaugliche Produkte liefern kann. Außenhandelsminister Ganiew verweist auf eine Reihe von Erfolgen: So habe man etwa eine Textilindustrie aufgebaut, welche 30 Prozent der Baumwolle selbst verarbeitet - vor zehn Jahren waren es nur 5 Prozent. Auch eine eigene Maschinenindustrie habe man geschaffen. Stolz nennt er die Summe von 12 Mrd. USD - das sind die ausländischen Direktinvestitionen in Usbekistan. Österreich hinke aber im Gegensatz etwa zu Deutschland dabei noch etwas hinterher. Weil es an effizienten Finanzierungsinstrumenten mangele, so der Minister.
Soziales Gleichgewicht und wirtschaftliche Stabilität nennt der Minister, der den Österreich-Besuch Karimows kommenden Dienstag vorbereitet, die Voraussetzungen für eine Lösung des Islamismusproblems. Dass dessen repressives System - das Demokratiedefizit, "kommunistische" Wahlergebnisse, zahlreiche auch von westlichen Organisationen angeprangerte Menschenrechtsverletzungen - den Islamismus sogar noch fördert, würde Ganiew aus dem Stand verneinen.
Rumsfeld auf Werbetour
Entgegen anderslautender Meldungen sind amerikanische Truppen noch nicht in Usbekistan gelandet, auch der Luftraum wurde lediglich für Hilfsflüge freigegeben. Doch US-Verteidigungsminister Rumsfeld wird wohl im Laufe dieser Woche - vermutlich mit Dollarzusagen - die Bereitschaft der Usbeken erkunden, Truppenkontingente aufzunehmen oder wenigstens Überflüge zu genehmigen. Zuvor besucht er US-Truppen in Ägypten und Saudi-Arabien, wo er auch im Auftrag von Präsident George W. Bush eine "Serie von Gesprächen" führen wird.
Die Usbeken, die eine Beteiligung an Militäraktionen ausgeschlossen haben, fürchten nun einerseits verstärkte Terroraktivitäten im eigenen Land, erhoffen sich aber andrerseits von den Amerikanern mehr Hilfe bei der Bekämpfung der "Islamischen Bewegung". Juma Namangani, deren Führer, soll in Tadschikistan 9.000 Mann unter Waffen haben, nicht nur Exil-Usbeken, sondern auch Söldner aus arabischen Ländern. Ihr Vermögen in den USA wurde bereits eingefroren. Usbekistan hat teilmobil gemacht und seine Truppen in Alarmbereitschaft versetzt. Die Taliban haben schon ausrichten lassen, man werde einen "heiligen Krieg" gegen Usbekistan führen. Ein Sprecher des Außenministeriums in Taschkent meinte dazu: "Sie (die Taliban) haben uns schon lange zuvor den Krieg erklärt, als sie die Mitglieder der Islamischen Bewegung in Usbekistan zu unterstützen begannen und jenen Unterschlupf gewährten, die in Usbekistan wegen Verbrechen angeklagt sind."
Außenhandelsminister Ganiew befürchtet von einem Krieg vor allem eine Verschlechterung des Investitionsklimas. Die Welt muss alle Ethnien Afghanistans, ausgenommen die Unterstützer des Terrors - die Taliban - , zu einem politischen Dialog zwingen, sagt er. Nur eine Regierung, an der alle Stämme beteiligt sind, könne in Afghanistan dauerhaften Frieden schaffen. Die Nordallianz erwähnt er dabei nicht.