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Unterschiedliche Schlüsse der Staats- und Regierungschefs. | Österreich blitzt mit Aufnahmefähigkeit ab. | Brüssel. "Ab 2007 wird es wieder spannend", resümierte ein Diplomat am EU-Gipfel. Denn die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Treffen am Freitag einmal mehr fast keine Entscheidungen getroffen. Die Ratsbeschlüsse umfassen in den Kernthemen allgemeine diplomatische Formulierungen und vage Fristen für die Lösung der Probleme um die "institutionelle Angelegenheit", wie Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso das gescheiterte Ringen um den Verfassungsvertrag konsequent bezeichnete. Bei der Festschreibung der Aufnahmefähigkeit neuer Mitglieder als Kriterium für deren Beitritt knickte die österreichische Ratspräsidentschaft ein.
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Nachdenken verlängert
Die Nachdenkphase über das frisch beerdigte Vertragswerk wurde verlängert, "im ersten Halbjahr 2007" sollen die Deutschen einen Bericht präsentieren, der "mögliche künftige Entwicklungen aufzeigen" soll. Dabei würden allerdings noch keine Entscheidungen getroffen, betonte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Deutschen könnten lediglich "Dinge zusammentragen" und "eine Schnittmenge für weitere Diskussionen" liefern, warnte auch der Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker. Der französische Präsident Jacques Chirac spricht schon ganz locker über eine "zweijährige Verlängerung" der Reflexionsphase. Und Frankreichs Regierung nach Chirac obliegt es dann "spätestens im zweiten Halbjahr 2008" die Basis für "die erforderlichen Schritte" zu unternehmen, "wie der Reformprozess fortgesetzt werden soll". Inzwischen dürfen die Mitgliedsstaaten - wie bereits vor einem Jahr - weitermachen, wie sie wollen. Finnland hat schon einmal angekündigt, den derzeitigen Verfassungsvertrag nach dem Sommer zu ratifizieren. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus erklärte ganz offen, die Verfassung sei für ihn "kein Thema".
Wie viel vom Inhalt des derzeitigen Verfassungsvertrags erhalten bleiben soll, lassen die Staats- und Regierungschefs in ihren Beschlüssen offen. Um das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken soll anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der EG-Verträge eine "feierliche Konferenz" in Berlin stattfinden, erläuterte der österreichische Bundeskanzler und amtierende EU-Vorsitzende Wolfgang Schüssel. In einer Erklärung sollen die EU-Chefs dort "die europäischen Werte und Bestrebungen darlegen", heißt es in den Ratsbeschlüssen.
Debatte mit Finnen
Dass die Reflexionsphase ab jetzt "zweigleisiger Ansatz" und "Phase der konkreten Resultate" heißt, manifestiert sich lediglich darin, dass die Österreicher anstehende Gesetzesvorhaben auf einem informellen Papier zusammengefasst haben. Das reicht von der bereits erledigten Dienstleistungsrichtlinie und der Einigung auf den Finanzrahmen über den Beitritt von Rumänien und Bulgarien bis zum Ziel von mehr erneuerbaren Energiequellen im Jahr 2010.
Auch bei der künftigen Erweiterung werden die Formulierungen in den Ratsbeschlüssen allgemein gehalten. "Das Wort "Kriterium" ist entfallen", sagte Schüssel. Dafür hatten sich die Österreicher lange eingesetzt. Die EU-Kommission soll im Herbst einen Bericht über "alle relevanten Aspekte der Aufnahmefähigkeit" vorstellen. Die Finnen sollen unter ihrem Vorsitz die grundlegende Erweiterungsdebatte führen.
Der einzig wirklich greifbare Erfolg des Gipfels ist die von Österreich durchgesetzte Transparenzinitiative. Künftig sollen die meisten Sitzungen der EU-Minister im Internet übertragen werden. Die Briten gaben den Widerstand gegen das ursprünglich von ihnen forcierte Projekt schließlich auf. Sie bestanden aber auf einer Überprüfung der Praxis in einem halben Jahr.