Die Stimmen meiner Nachbarn wurden lauter und lauter. Ich stand hinter der Wohnungstür unserer Altbauwohnung, den Blick starr auf die Blumen in meiner Hand gerichtet und lauschte, wie Markus und Ines sich angifteten.
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"Was hat der blöde Teller hier zu suchen?", schimpfte Ines. Stille. Ich wusste, dass Markus diesen Tonfall nicht ausstehen konnte, und Ines wusste das auch. Er war regelrecht allergisch darauf. Markus setzte zu einer Entgegnung an: "Ach, Fräulein Ordnungssinn hat wieder einmal schlechte Laune", hörte ich ihn, mit einer Stimme, die vor Ironie nur so troff. Stille.
Gute Freunde vonnöten
Wir hatten ein paar Mal Doppelkopf mit den beiden gespielt und Markus war immer einmal wieder auf ein Bier bei uns vorbeigekommen, wenn er und Ines sich gestritten hatten. Ich hatte von ihren Streits aber noch nie etwas mitbekommen und wurde jetzt das erste Mal - unfreiwillig - Ohrenzeuge einer ihrer Auseinandersetzungen. Der Tonlage nach zu schließen, konnte ich das Bier sicherheitshalber schon einmal kalt stellen. Oder besser gleich zwei, denn ein Ehekrach am Valentinstag, so etwas kann ganz gewaltig an die Nerven gehen. Und was beruhigt da besser als ein paar Gläser Bier, getrunken mit Menschen, die einen mögen und dazu noch den einen oder anderen hilfreichen Tipp geben können, wie man aus dem angerichteten Desaster wieder herauskommt!
Nebenan ging der Streit weiter. "Du denkst ja wohl, ich bin dein Hausmädchen", brüllte Ines Markus jetzt an. "Kannst du eigentlich noch normal mit mir reden?", schrie Markus zurück. Ich war gespannt, was nun passieren würde. Spätestens an dieser Stelle hatten die beiden nicht mehr viele Möglichkeiten, den Streit auszuweiten, es sei denn, sie wollten handgreiflich aufeinander losgehen, und das taten sie, soweit ich wusste, nie.
Offensichtlich zog Ines ihren Mantel an. Ich hörte, wie ihr Schlüsselbund klapperte. Dann öffnete sich die Tür und Ines trat in den Hausflur hinaus. "Ich gehe zu Renate", zischte sie Markus an und knallte die Tür zu. "Bleib doch, wo der Pfeffer wächst", rief er ihr nach. Er musste so wütend gewesen sein, dass er nach dem Teller griff und ihn an die Wand warf. Die Scherben prasselten auf die Fußbodenfliesen.
Ich stellte die Blumenvase mit dem Strauß roter Rosen auf den Schuhschrank, damit Marieke ihn gleich sah, wenn sie von der Arbeit kam. Das mache ich immer so am Valentinstag. Kurz darauf kam sie. Sie lächelte mich glücklich an. Dann ordnete sie die Blumen ein wenig, und ich erzählte ihr von dem Streit bei unseren Nachbarn.
Zum Streiten gehören zwei
Eine Stunde später klingelte es an der Tür. Marieke öffnete. Es war Markus. Er sah blass aus und zog ein Gesicht, als wenn ihn heftige Magenschmerzen peinigen würden. Ich wollte ihm wie gewohnt ein Bier öffnen, doch er fragte mit schwacher Stimme, ob wir auch einen Kamillentee für ihn hätten. Kamillentee! Man stelle sich das einmal vor! Sie hätten Markus sehen sollen, diesen Bären von einem Mann, wie er mit seinen Händen die Tasse vorsichtig an die Lippen hob und den heißen Tee schlürfte.
"Wir haben uns gestritten", sagte er tonlos. Ich überließ Marieke das Gespräch, sie versteht sich besser auf so etwas. Markus berichtete, wie der Streit verlaufen war. Er erzählte es ganz so, wie auch ich es mitbekommen hatte. Nur das mit dem Teller ließ er aus. Er war rührend zerknirscht, doch wenn er sprach, hörte man seine Wut noch deutlich heraus. "Sie hat angefangen", sagte er zum Schluss trotzig und schaute zu Marieke herüber, offenbar in der Hoffnung, von ihr eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass er im Recht war.
Marieke tat ihm den Gefallen nicht. "Na und!", gab sie zurück und ihre Augen funkelten. "Zum Streiten gehören immer zwei! Wenn ich genervt von der Arbeit nach Hause komme, dann passiert es mir auch einmal, dass ich meinen Mann wegen irgendeiner Kleinigkeit anraunze." Marieke schwieg einen Augenblick. Markus trank wieder von seinem Kamillentee. "Wahrscheinlich hatte sie in der Arbeit einen schlechten Tag", schob Marieke noch nach.
"Wahrscheinlich", sagte Markus und seufzte. Ja, so mit dem nötigen Abstand betrachtet, schien ihm das eine passende Erklärung zu sein.
Die Situation entschärfen
"Aber ich muss mir das doch nicht gefallen lassen!", verteidigte er sich. "Nein, natürlich nicht!", erwiderte Marieke. "Ich würde mir so etwas sicherlich auch nicht gefallen lassen." Ich schaute schuldbewusst zu Marieke hinüber. Neulich war ich von der Arbeit heimgekommen und hatte mich schrecklich aufgeregt, dass ihr Mantel wieder einmal in der Küche herumlag. Das stört mich zwar immer, aber der Tag war wirklich grauenvoll gewesen und so habe ich mich sicher mehr aufgeregt als sonst.
"Vielleicht gibt es ja eine andere Möglichkeit, als zurückzuschimpfen", schlug Marieke vorsichtig vor. Nun schaute ich ein wenig erstaunt zu ihr herüber. Was meinte sie damit? Normalerweise schimpft sie immer gleich zurück, wenn ich einmal aus der Haut fahre. "Welche denn?", fragte Markus ganz interessiert.
"Du könntest zum Beispiel zu ihr gehen, ihr in die Augen schauen und sagen: Ich will mich nicht streiten!", schlug sie vor. "Oder du atmest dreimal tief durch und sagst dann so ruhig wie du kannst: Ich habe den Teller da stehen lassen. Tut mir leid. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr das den Wind aus den Segeln nimmt."
In den Schuhen des anderen
Marieke wollte die Situation gleich einmal mit ihm durchspielen. Sie hatte neulich einen Theaterworkshop mitgemacht und schwor seither darauf, dass Rollenspiele eine wunderbare Möglichkeit seien, nach neuen Wegen des Umgangs miteinander zu suchen. Ich halte nicht viel von dieser Theorie, aber Markus war ganz begeistert von dem Angebot. Er musste ins Wohnzimmer gehen, einen Teller in der Hand, und von dort Ines Einstiegssatz in Richtung Küche rufen. Marieke spielte Markus´ Rolle und dachte sich immer wieder neue Entgegnungen aus. Ist schon erstaunlich, wie viele Möglichkeiten es gibt, auf so einen Angriff zu reagieren. Dann drehten die beiden die Rollen um und Markus durfte sich selber spielen, während Marieke in sehr genervtem Tonfall über den Teller herzog, der im Wohnzimmer herumstand. Er sollte möglichst gelassen reagieren, was ihm sichtlich leicht fiel. Kein Wunder. Es war ja nur ein Spiel!
Seine Gesichtszüge entspannten sich mehr und mehr, der säuerliche Zug um den Mund verschwand und nachdem sie die eine oder andere Erwiderung durchgespielt hatten, fing er an, auf die Kühlschranktür zu schielen. Ich holte ein Bier heraus. Er trank und probte dabei weiter.
Ende gut, alles gut
Am Ende hatte Markus auf Mariekes vorwurfsvollen Spruch mit dem Teller eine wirklich perfekte Entgegnung parat. "Ich hatte einen sehr anstrengenden Tag bei der Arbeit und du vielleicht auch", sagte er. "Ich will mich jetzt nicht über einen Teller mit dir streiten. Tut mir leid, dass ich nicht daran gedacht habe." An der Stelle machte Markus eine kunstvolle Pause, ehe er mit einer eindringlichen Stimme fortfuhr. "Aber in dem Ton möchte ich nicht auf so eine Kleinigkeit hingewiesen werden. Das tut weh."
"Super", wollte ich ihn gerade loben, doch in dem Moment klingelte es an der Tür. Es war Ines. "Ist Markus da?", fragte sie. Ihre Wangen glänzten rot, die Augen waren ganz geschwollen. Markus verabschiedete sich sichtlich erleichtert von uns. Ich hörte noch, als ich die Tür schloss, wie er "Entschuldige bitte" zu Ines sagte. Ines tat das gleiche.
Marieke und ich sahen uns lange schweigend an. Wir waren so froh, dass nicht wir uns diesen Streit geliefert hatten, ausgerechtet heute, am Valentinstag. Wir waren froh und glücklich über die gute Stimmung zwischen uns. Wie leicht es doch ist, anderen einen klugen Rat zu geben, obwohl man es selber oft nicht besser hinbekommt! Wir nahmen uns in den Arm und küssten uns.
Die Top Five zur Versöhnung1. Sich entschuldigen
Einerlei, ob Sie ein unbedachtes Wort gesagt oder einen unangenehmen Ton angeschlagen haben - sich zu entschuldigen ist immer eine gute Idee und sorgt umgehend für bessere Stimmung. Wenn Ihnen partout nichts einfällt, wofür Sie sich entschuldigen könnten, dann versuchen Sie es doch mit dem alten Politikertrick: Entschuldigen sie sich für das, was Sie an Reaktionen ausgelöst haben. "Tut mir leid, dass du dich so aufgeregt hast. Das wollte ich nicht."
2. Etwas für den Partner tun
Ihr einen Kaffee kochen oder einen Strauß Blumen mitbringen. Ihm sein Lieblingsessen kochen. Es sind die kleinen Dinge, die zählen, nicht die bombastische Essenseinladung und die Diamanten nach dem Dessert.
3. Blicke, Berührungen
Sorgen umgehend für Beruhigung, weil sie dem Partner signalisieren: Wir sind - und bleiben - ein Paar.
4. Gespräch
Hilft nur, wenn sich die Gemüter beruhigt haben und jeder bereit ist, dem anderen zuzuhören und dessen Standpunkt auch zu verstehen. Das klappt oft besser, wenn man sich auch schon körperlich näher gekommen ist.
5. Sexualität
Bei der Sexualität schüttet der Körper große Mengen des Bindungshormons Oxytocin aus. Oxytocin reduziert das Stresshormon Cortisol und stimmt deshalb milde und kompromissbereit.