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Van der Bellen, der Staatsmann

Von Nina Flori

Politik

Am Wiener Naschmarkt finden sich für den Präsidentschaftskandidaten einige Anhänger.


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Wien. Die Sonne scheint. Am Naschmarkt im 6. Wiener Gemeindebezirk genießen die Menschen bei einem Latte Macchiato, einem Bier oder einem Falafel-Teller die Wärme. Besonders junge Menschen zieht es hierher.

Sophie Fausthammer flaniert mit einer Freundin aus Lettland durch den Markt. Sie ist 32 und arbeitet als Online-Marketing-Managerin. Dass sie Alexander Van der Bellen bei der Bundespräsidentenwahl wählen wird, steht für sie fest. "Ich komme aus einer rechten Familie. Da renne ich oft gegen Wände. Ich verstehe nicht, warum manche Menschen kein Mitgefühl haben", sagt sie. Die aktuelle Flüchtlingspolitik ist für sie nicht nachvollziehbar. "Ich hoffe, dass Van der Bellen menschlicher ist als die ganzen anderen. Auf mich strahlt er Ruhe und Kompetenz aus. Er ist jedenfalls keiner, der nur rausschreit: Ich, ich, ich." Auch seine Plakate findet Sophie gelungen.

Auf einem davon steht Van der Bellen vor einer Gebirgslandschaft, im legeren Outfit bestehend aus Jeans und Hemd lehnt er an einem Holzzaun. Ein Hund schnuppert ihn an. "An Österreich glauben" lautet der Slogan, der über dem Bild steht. "Der Spruch hat mich etwas irritiert", sagt Martin Lehmann, der in der Sonne sitzend auf den Kellner wartet. Er ist 46, selbständig und ein überzeugter Grün-Wähler. "Der Spruch könnte eher von Norbert Hofer stammen", sagt er lachend. Trotzdem ist für ihn klar, dass er Van der Bellen wählen wird. "Er hat alle Eigenschaften, die man sich wünschen kann: Eine hohe politische Kompetenz und er könnte Österreich als Staatsmann repräsentieren, ohne dass man sich dafür genieren muss", sagt Lehmann. Khol und Hofer seien ihm zu rechts, Griss vermittle kein umfassendes Gesamtbild und die Sozialdemokraten könne man aufgrund ihrer 180-Grad-Wendung in der Flüchtlingsfrage ohnehin nicht wählen.

Van der Bellen führt in allen Umfragen zur Bundespräsidentenwahl, knapp gefolgt von Norbert Hofer (FPÖ) und der unabhängigen Irmgard Griss. "Vor allem bei den jüngeren Wählern kommt er gut an. Bei den bis 29-Jährigen ist er zweieinhalbmal so stark wie bei den 60-Jährigen", sagt der Meinungsforscher Günther Ogris im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Aber auch bei den Älteren punktet der grüne Professor. "Zehn Prozent der Wahlberechtigten über 60 hat er auf seiner Seite. Das ist deutlich mehr, als die Grünen sonst erreichen. Sie kommen in dieser Altersgruppe normalerweise nur auf ein bis zwei Prozent."

Der klassische Grünwähler oder die klassische Grünwählerin ist gebildet und lebt in der Stadt oder im Stadtumland und ist treuer Van-der-Bellen-Anhänger. "Er punktet bei den Wählerinnen und Wählern jedoch weit über die klassische Klientel hinaus", sagt Ogris. Denn Van der Bellen ist auch in ländlichen Gebieten sehr beliebt. Zudem können sich dem Meinungsforschungsinstitut Sora zufolge auch in der Gruppe der Arbeiter sechs Prozent vorstellen, ihn zu wählen. "Die Grünen erreichen da gerade einmal die Hälfte, also drei Prozent", sagt Ogris. Besonders gut kommt der 72-Jährige bei den höher Qualifizierten an.

"Er ist nicht so komisch wie alle anderen"

Auch Lisa Akin wird Van der Bellen wählen. Sie ist 40, selbständig und trifft sich am Naschmarkt zum Mittagessen mit einer Freundin. "Er ist für mich das geringste Übel", sagt sie. "Denn er ist am Boden geblieben und nicht so komisch wie alle anderen." Ihre Freundin Susi Schaffhuber teilt ihre Ansicht nicht: "Ich bin selbständig. Von den Grünen fühle ich mich zu wenig unterstützt, deshalb wähle ich Van der Bellen nicht. Auch wenn er als unabhängiger Kandidat antritt", sagt sie und fügt hinzu: "Eigentlich glaube ich, brauchen wir gar keinen Bundespräsidenten."

Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da. Christian Riedl kommt wie Van der Bellen aus Tirol, Wahlen interessieren den 42-jährigen Appartement-Vermieter allerdings nicht: "Ich halte nichts von der Demokratie und unserem politischen System. Die Wahl zwischen Van der Bellen und den anderen Kandidaten ist die Wahl zwischen Pest und Cholera", sagt er und träufelt Essig auf seinen Avocado-Vogerl-Salat. "Van der Bellen ist aber immerhin noch am sympathischsten."

Sympathie ist ein wichtiger Eckpfeiler, auf den der grüne Professor in seinem Wahlkampf setzt. In seinem neuen Wahlkampfvideo sieht man zu Hubert von Goiserns "Heast as net" idyllische Landschaftsaufnahmen, glückliche, optimistische Menschen und einen Van der Bellen, der bereit ist, ruhig und besonnen in neue Zeiten aufzubrechen. In Zeiten, in denen kein Kandidat "aus dem rot-schwarzen Parteiapparat" Bundespräsident wird.

Manfred Bauer, der ebenfalls am Naschmarkt die Sonne genießt und auf sein Mittagessen wartet, zeigt sich von diesen "neuen Zeiten" jedoch nicht beeindruckt. Der Versicherungsfachmann wird den sozialdemokratischen Kandidaten Rudolf Hundstorfer wählen, auch wenn er nicht glaubt, dass dieser eine Chance auf die Stichwahl hat. "Van der Bellen ist mir zu links. Das passt für mich nicht", sagt der 47-Jährige. "Und das mit der Unabhängigkeit nimmt ihm doch niemand ab", meint er.

Bevölkerung vertraut Van der Bellen

Da dürfte sich Bauer allerdings irren, denn dem aktuellen APA/ OGM-Vertrauensindex zufolge, bei dem 500 Personen befragt wurden, genießt Van der Bellen gleich hinter Irmgard Griss in der Bevölkerung das meiste Vertrauen.

"Ich bitte Sie um Ihre Stimme, ich werde sorgsam damit umgehen", verspricht der 72-Jährige nicht nur auf seinen Plakaten, sondern auch in seinem aktuellen Wahlkampfvideo. Gerade diese bedachtsame Art Van der Bellens wirkt auf viele seiner Anhänger vertrauenerweckend. Und bei so manchem punktet er auch damit, dass er FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache nicht zum Bundeskanzler angeloben würde.