Zum Hauptinhalt springen

Van der Bellen wechselt mit Verspätung nach Wien

Von Christian Rösner

Politik

Ex-Grünen-Chef zieht doch noch vom Parlament ins Rathaus.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Alexander Van der Bellen wechselt vom Nationalrat in den Wiener Gemeinderat - das erklärte der ehemalige Bundessprecher der Grünen am Donnerstag.

Alexander van der Bellen zieht eineinhalb Jahre nach seinem erfolgreichen Vorzugsstimmenwahlkampf als Nachfolger von Sigrid Pilz für die Grünen in den Wiener Gemeinderat ein.
© WZ/ Robert Newald

Damit nimmt er letztendlich doch noch das Votum der Wiener an, die ihm bei der Wahl 2010 fast 12.000 Vorzugsstimmen gaben. Er habe sich damals dazu entschlossen, im Nationalrat zu bleiben und für die Stadt Wien als Uni-Beauftragter tätig zu sein (eine Position, die eigens für ihn geschaffen wurde). "Trotzdem blieb ein Makel haften", sagte Van der Bellen. Tatsächlich wurde damals in den Medien der Vorwurf der "Wählertäuschung" laut.

Die Chance, diesen Makel zu beseitigen, war für Van der Bellen das nun frei werdende Mandat von Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz, die zur Wiener Patientenanwaltschaft wechselt. Zwar blicke er ein wenig wehmütig auf 18 Jahre Parlamentsarbeit zurück, freue sich aber auf neue Herausforderungen. "Und 18 Jahre Oppositionsarbeit ist auf Dauer nicht lustig, das können sie mir glauben", meinte der Politiker.

Jetzt könne er eine Regierungsfraktion erleben, "wo sich der Stil und das Klima in der Koalition völlig anders darstellt als im Bund, wo die täglichen Knirsch-Stellen unüberhörbar sind", so Van der Bellen.

Als Gemeinderats-Abgeordneter hofft der 68-Jährige, sich ab Ende Juli Bildungs- und Forschungsthemen widmen zu können. Als Uni-Beauftragter der Stadt wird er nicht mehr fungieren. Nachbesetzt wird diese Funktion aber trotzdem - auch wenn Van der Bellens Arbeitsschwerpunkt als Gemeinderat ein ähnlicher sein wird. Darauf hätten sich Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bereits geeinigt, erklärte Van der Bellen.

Die Funktion der grünen Gesundheitssprecherin wird mit Jennifer Kickert nachbesetzt, "denn Gesundheit ist nicht gerade mein Spezialgebiet", witzelte der passionierte Raucher. Seinen Sitz im Nationalrat übernimmt wiederum der frühere Budgetsprecher Bruno Rossmann: Der 60-jährige AK-Experte saß bereits 2006 bis 2008 für die Grünen im Nationalrat, bei der Nationalratswahl 2008 musste er aber Karl Öllinger weichen.

Polemische Reaktionen

Die Wiener Grünen freuen sich auf alle Fälle über die "Verstärkung". Mit Van der Bellen würden nun 11.952 Wiener in den Gemeinderat einziehen, meinte Klubchef David Ellensohn im Hinblick auf die Vorzugsstimmen aus dem Jahr 2010.

Bei der Opposition reagierte man relativ inhaltslos mit automatisierter Polemik: So hofft der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka, "dass Van der Bellen der Chaostruppe um Vassilakou ins Ruder greift und dafür sorgt, dass die Grünen zu einer Politik der Vernunft zurückkehren". Für FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus ist es wiederum zweifelhaft, "dass Van der Bellen die Parkpickerl-Despotin Vassilakou oder Linksextremisten wie Klubchef David Ellensohn zur Räson bringt."

Amtsmüde oder Strategie?

Uneins sind sich Rathaus-Insider über die "wahren" Beweggründe für den Wechsel. Vermutet wird etwa, dass Van der Bellen amtsmüde geworden ist und mit diesem Schritt seinen Rückzug aus der Politik einleiten will. Gesundheitliche Gründe könnten es aber nicht sein, weil er noch immer nicht mit dem Rauchen aufgehört hat, heißt es. Vielmehr könnte eine Strategie der SPÖ dahinter stecken, den Wiener Wählern so viele Angriffspunkte wie möglich zu nehmen. Und nicht umsonst versuche man etwa mit der Bestellung einer Grünen zur Patientenanwältin den Koalitionspartner gefügig zu halten. Folgt nun ebenfalls jemand von den Grünen der Funktion Van der Bellens als "Sonderbeauftragter für Universitäts-und Wissenschaftsangelegenheiten", dann würde das diese These unterstützen.