Kunstversicherer: Geteiltes Risiko bei Milliarden-Werten. | Prämie richtet sich nach dem Marktwert. | "Wiener Zeitung": Was versichern Sie?
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Petra Eibel: Unser Versicherungsobjekt ist klassische bildende Kunst. Das ist alles, was bewegt, ausgestellt, gekauft und gesammelt wird: Ausgrabungsgegenstände, Gemälde, Zeichnungen und andere Papierarbeiten, Skulpturen, Antiquitäten, Möbel, Glas, Porzellan, zeitgenössische Kunst, Video-Installationen oder Skulpturen im öffentlichen Raum. Unsere Zielgruppen sind Museen, Kunsthallen, der Kunsthandel und Privatpersonen.
Versichern Sie die derzeit in Wien laufende Van Gogh-Ausstellung?
Uniqa ist einer der großen Versicherer dieser Ausstellung. Da es bei einer Großausstellung dieser Art aber um Versicherungswerte in Milliardenhöhe geht, müssen mehrere Versicherer sich das Risiko teilen. Für etwaige Schäden in der Höhe von 500 Mio. Euro springt die Bundeshaftung ein, der Rest sind Versicherer. Das sind einerseits wir und andererseits die Versicherungen der Leihgeber, die die Albertina verpflichten, für die Dauer der Ausstellung bei deren Kunstversicherer zu versichern.
Sind derartige Großausstellungen ein gutes Geschäft?
Natürlich muss es ein gutes Geschäft sein, sonst würde sich die Versicherungsbranche damit nicht auseinandersetzen. Außerdem schafft es Akzeptanz im Markt. Insgesamt aber ist ein gemischtes Kundenportefeuille am besten: Wir müssen uns einerseits um das kurzfristige Ausstellungsgeschäft und andererseits um die stabilen Jahresprämien von Sammlern und Museen bemühen.
Die Ausstellung hat einen kolportierten Versicherungswert von über zwei Mrd. Euro. Was darf bei einer Großausstellung dieser Art auf keinen Fall passieren?
Da es um einzigartige Objekte geht, müssen die Versicherer möglichst verhindern, dass überhaupt ein Schaden passiert.
Jüngst haben die steigendenden Preise am Kunstmarkt Versicherer hervorgebracht, die schnell zu hohen Prämien kommen wollten. Eine Großausstellung aber benötigt Expertwissen, das man sich nicht über Nacht erarbeiten kann. Ich muss die Gefahren einschätzen können, meine Rückversicherungsmärkte kennen und die Möglichkeit haben, Kapazität dazuzukaufen. Ich muss die Restaurierbarkeit kennen und die Höhe der Wertminderung im Fall einer Beschädigung einschätzen können. Während die Restaurierungskosten mit Arbeit und Material abgegolten sind, kann sich die Wertminderung bei einem Schaden im Millionenbereich bewegen.
Inwieweit ist der Versicherungswert ein Gradmesser für den Wert von Kunstwerken?
Der Versicherungswert ist ein Gradmesser für mediale Aufmerksamkeit, welche sich in weiterer Folge positiv auf den Wert auswirken kann, weil er wie ein Marketing-Instrument Interesse erzeugt. Das ist der Effekt.
Versicherungstechnisch ist aber der Marktpreis der Gradmesser für die Versicherungssumme. Soll heißen: Wir legen die Versicherungssumme und die Prämie analog zum Marktpreis fest. Im Fall eines Totalschadens muss der Kunde etwas Vergleichbares wiederbeschaffen können.
Gibt es zum Wert von Kunstwerken Preiskataloge wie bei Briefmarken?
Es gibt Datenbanken, die pro Technik und Künstler informieren, als Basis für eine Bepreisung. Sie enthalten verauktionierte Kunstobjekte und Schätzpreise. Wichtig ist aber, zu wissen, wie die Preise bei Galerien und Händlern sind und was bei den Kunstmessen verkauft wurde. Wir erstellen eine Dokumentation, bevor wir die Prämie festlegen.
Wie hoch ist die Prämie?
Der Prämiensatz liegt bei einem Promill der Versicherungssumme, also bei 1000 Euro für eine Sammlung im Wert von einer Million. Je höher jedoch ein Versicherungswert, desto niedriger ist der Prämiensatz.
Während die Haushaltsversicherung pauschal aus der Quadratmeterzahl berechnet wird, ist die Kunstversicherung eine Sache der Vereinbarung. Ich muss mir jede Sammlung, jedes Ausstellungskonzept anschauen, bevor ich sagen kann: Das ist der Preis. Etwa spielt die Fragilität eine Rolle, also wie gut ein Objekt restaurierbar ist. Ein kleines Loch in einer Papierarbeit kann man leichter reparieren als eine zerbrochene Porzellanvase. Bei Ausstellungen spielen der Transport eine Rolle sowie der Ort: Findet die Show in einem erdbeben- oder terrorgefährdeten Gebiet statt, ist es teurer als etwa in Österreich.
Wogegen kann man ein Kunstwerk nicht versichern?
Allmähliche Gefahren wie natürliche Alterung, Gebrauchsschäden oder klimatische Schwankungen sind nicht versicherbar. Alle plötzlichen Ereignisse sind hingegen gedeckt: Einbruch, Vermurung, Wasserschäden oder die neuen Lagerräume, die man sich aufgrund dessen mieten muss.
Wenn etwas gestohlen wird, wann bekommt der Besitzer den Betrag aufs Konto?
Ein Einbruchdiebstahl oder Diebstahl erfordert eine Anzeige. Dann wird ein Verfahren eingeleitet. Wenn wir das Polizeiprotokoll haben, ist der Fall für uns so weit abgeschlossen und wir überweisen die Versicherungssumme, wodurch die Eigentumsrechte an uns übertragen werden. Sollte das Objekt später wieder gefunden werden, kann der Kunde es zurückkaufen.
Sie haben Cellinis "Saliera" mit 50 Millionen Euro versichert. Das Salzfass wurde 2005 aus dem Kunsthistorischen Museum gestohlen und 2006 wiedergefunden. Gehört die "Saliera" Ihnen?
Nein. Seitdem sie gefunden und der Täter gefasst wurde, steht sie wieder im Museum. Ob wir die Summe damals bezahlt haben, haben wir nie verraten.
Vielleicht steht ja nicht die echte "Saliera" im Museum.
(lacht) Ich hoffe schon.